Boll trägt Fahne - Farbenfrohe Eröffnung ohne Putin
Rio de Janeiro (dpa) - Tischtennisspieler Timo Boll trägt bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in der Nacht zum Samstag (MESZ) die deutsche Fahne. „Jeder weiß, dass ich ein ruhiger Vertreter bin, aber als ich das hörte, war ich richtig sprachlos“, sagte der 35-Jährige.
Der Fahnenträger für die Sommerspiele war erstmals in einer gemeinsamen Wahl von Sportfans und Athleten ermittelt worden. Boll setzte sich mit großem Vorsprung gegen ein Olympiasieger-Quartett mit Hockey-Kapitän Moritz Fürste, Bahnrad-Ass Kristina Vogel, der Modernen Fünfkämpferin Lena Schöneborn und Vielseitigkeitsreiterin Ingrid Klimke durch.
Die Eröffnungsfeier im legendären Maracanã-Stadion soll eine farbenfrohe Hommage an Brasiliens Vielfalt werden. Es gebe drei große Themen, verriet der Produzent Abel Gomes. Eine Botschaft der Feier seien der Kampf gegen Klimawandel und die Umweltzerstörung. „Wir müssen aufhören, unsere Heimat, den Planeten, zu attackieren. Er ist bedroht“, sagte der künstlerische Direktor, der bekannte brasilianische Filmregisseur Fernando Meirelles („City of God“).
Vor dem feierlichen Start wurde noch auf eine wichtige Entscheidung gewartet. IOC-Präsident Thomas Bach kündigte an, dass noch am Donnerstag (Ortszeit) bekannt gegeben werde, welche russischen Sportler von Freitag an starten dürfen.
Nach den Leichtathleten werden auch Ruderer und Gewichtheber im russischen Team fehlen. Immerhin werden noch etwa 270 russische Athleten in den kommenden 16 Tagen um olympische Medaillen kämpfen. Auf ihren Staatspräsidenten Wladimir Putin müssen sie bei der Eröffnung verzichten. Er wird am Freitag nicht in Rio sein.
Einen generellen Ausschluss Russlands trotz des im McLaren-Report beschriebenen Dopingskandals hatte das Internationale Olympische Komitee abgelehnt. Doping-Ermittler Richard McLaren warf dem IOC nun vor, die Ergebnisse seines Berichts über den organisierten Sportbetrug in Russland zu verfälschen.
„Die Leute haben missverstanden, was in dem Report war, besonders das IOC und die internationalen Verbände“, sagte der Kanadier der britischen Zeitung „Guardian“. Sein Bericht im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA habe nicht zum Ziel gehabt, die Dopingvergehen einzelner Athleten nachzuweisen. „Dafür hatte ich keine Zeit. Im Bericht geht es um staatlich organisiertes Doping, die Manipulation von Ergebnissen, das Vertauschen von Tests.“
Angesichts der Doping-Skandale will Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, von der Medaillen-Zählerei nichts mehr wissen. „Wenn wir auch von Anfang an die alleinige Fokussierung auf Medaillen als fragwürdig angesehen haben, verliert sie jetzt noch mehr an Berechtigung“, sagte der DOSB-Chef. „Ehrlichkeit und Anstand im Wettbewerb, keine Siege um jeden Preis bedeuten für uns mindestens so viel wie die eine oder andere Medaille mehr.“
An die 423 deutschen Sportler appellierte er, dass die Spiele für sie nicht nur „Kampf und Krampf“ sein sollten. Sie sollten auch stolz sein, es bis dorthin gebracht zu haben und die schönen Momente genießen.