Hamburgs Olympia-Macher und der Münchner Alptraum
München (dpa) - Die Verlierer waren fassungslos. Das klare „Nein“ der Bürger in München und seinen drei Partnergemeinden zu Olympia war eine krachende „Watschn“ für die Befürworter, deren schöner Traum vom bayerischen Wintermärchen 2022 an einem tristen Novemberabend vor zwei Jahren jäh platzte.
„Es ist traurig, aber wahr“, stammelte Ski-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch. „Oh Mann, war wohl nix mit Olympia dahoam“, kommentierte Rodel-Olympiasieger Felix Loch. Maria Höfl-Riesch hatte am Wahltag sogar extra ihre Fingernägel in den Olympia-Farben lackiert. Dann kam aus ihrer Heimatstadt Garmisch-Partenkirchen das erste negative Ergebnis, das auch schon das Olympia-Aus bedeutete. Es sah die Gegner mit 51,56 Prozent vorne. Die weiteren ablehnenden Voten in der Landeshauptstadt München sowie den Landkreisen Traunstein und Berchtesgaden machten das Debakel nur noch bitterer. 0:4 lautete das Endergebnis. Selbst die Gegner von „NOlympia“ werteten am 10. November 2013 ihren deutlichen Sieg nicht als „Zeichen gegen den Sport, aber gegen die Profitgier des IOC“.
Am kommenden Sonntag endet wieder ein Olympia-Referendum in Deutschland statt. Dieses Mal entscheiden die Hamburger darüber, ob sie gegen Budapest, Los Angeles, Paris und Rom um die Austragung der Sommerspiele 2024 kämpfen wollen.
Was in München 2013 schiefging, soll sich in Hamburg nicht wiederholen - zumindest aus Sicht der Olympia-Befürworter. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, sieht eine völlig andere Ausgangsposition, angefangen beim Zeitfaktor. In München hätten zwischen dem Beschluss, mit München ins Rennen zu gehen, und dem Referendum nur fünf Wochen gelegen: „In Hamburg sind es mehr als sechs Monate.“
Zudem sei die Münchner Stadtgesellschaft bei weitem nicht so engagiert gewesen, wie es jetzt in Hamburg der Fall sei. „Dazu hat sicher auch der innerdeutsche Wettbewerb mit Berlin im Vorfeld beigetragen, durch den sich die Menschen in Hamburg frühzeitig formiert haben. Eine Feuer-und-Flamme-Initiative aus der Wirtschaft und von Privatpersonen, die sich in Hamburg mit Leidenschaft für Olympia einsetzt - das gab es damals in München so nicht“, sagte Vesper der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend bei einer Veranstaltung der Deutschen Olympischen Gesellschaft in München.
Die Winterspiel-Kampagne 2022 sei zudem von einem politischen Wahlkampf zwischen den beiden Protagonisten, SPD-Oberbürgermeister Christian Ude und CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer, überlagert worden. „All das hat dazu geführt, dass die Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger für Olympia damals nicht so gelungen ist“, glaubt Vesper. Nur 29 Prozent der Wahlberechtigten stimmten in München ab. „Wir versuchen, das in Hamburg besser zu machen. Ein Zeichen dafür, dass die Mobilisierung besser funktioniert, ist, dass Stand heute 37 Prozent der Wahlberechtigten schon per Briefwahl abgestimmt haben“, erklärte Vesper.
München litt aus Sicht des damaligen Oberbürgermeisters Ude unter den kritischen Debatten über das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder die Fußball-WM 2022 in Katar. Hamburg könnte nun die Auswirkungen der FIFA-Skandale, der DFB-Enthüllungen rund um die WM-Vergabe 2006 an Deutschland, der Dopingenthüllungen in der Leichtathletik oder auch die Angst der der Bürger vor Terrorattacken bei Großereignissen zu spüren bekommen.
Vesper rechnet nach den Anschlägen von Paris mit über 100 Toten jedoch eher mit einer „Jetzt-erst-recht-Haltung“ in der Bevölkerung. „Die Menschen wollen sich nicht vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben. Sie möchten auch weiterhin große Feste feiern in diesem Land. Und es gibt kein Fest, das so mit Hoffnungen und positiven Gefühlen verbunden ist wie Olympische und Paralympische Spiele.“
Wenn der Bürgerentscheid in München 2013 nicht gescheitert wäre, würde in Hamburg am Sonntag wohl kaum abgestimmt werden. Denn dann hätte womöglich nicht Peking im Sommer bei der IOC-Entscheidung über den Winterspielgastgeber 2022 den Zuschlag erhalten. So sieht das jedenfalls DOSB-Vorstandchef Vesper: „Ich war bei der Entscheidung zwischen Peking und Almaty in Kulala Lumpur dabei. Und man kann sich nicht vorstellen, in wie viele traurige Augen ich geblickt habe, nach dem Motto: "Ach, hätten wir doch jetzt die Wahl München gehabt‘.“