CAS-Entscheidungen Juristerei und Politik überlagern Olympia

Pyeongchang (dpa) - Zum Warmwerden bekam eins der beiden Ad-hoc-Gerichte, die der Internationale Sportgerichtshof CAS in der Bergregion von Pyeongchang eingerichtet hat, einen kleinen Fall vom Rande der großen Olympia-Welt vorgesetzt.

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Das sonst selten in Erscheinung tretende Nationale Olympische Komitee der Jungferninseln wollte das Startrecht für eine Skeleton-Pilotin namens Kathryn Tannenbaum bei den am 9. Februar beginnenden Winterspielen erwirken. Ohne Erfolg. Doch womöglich kommen ungleich größere und Aufsehen erregendere Fälle auf die Sportrichter zu.

Christian Krähe, Jurist im Internationalen Rennrodelverband FIL, zum Beispiel erwartet jedenfalls „eine Menge Verfahren vor den Ad-Hoc-Gerichten“, wie er im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte. Er meinte: „Das IOC wäre sehr mutig, wenn es die vom CAS freigesprochenen Athleten nun nicht zulassen würde.“ In seiner Sportart, dem Rennrodeln, durften die zunächst vom IOC für die Spiele gesperrten Athleten unter anderem in Weltcuprennen starten. Es herrscht ein großes Durcheinander.

Wie zuletzt immer vor Olympischen Spielen: Juristerei und Politik scheinen wichtiger als die Wettkämpfe auf Eis und Schnee. Nicht nur Eisschnellläufer Moritz Geisreiter aus Inzell ist genervt: „Das Ganze widert mich an, da ist so viel Politik im Spiel.“ Und damit meinte er ganz bestimmt nicht den Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich unter anderem zur Eröffnungsfeier angesagt hat. Auch nicht, dass der Vatikan erstmals eine Delegation zur IOC-Session in der kommenden Woche schickt.

Am Donnerstag hatte der Internationale Sportgerichtshof CAS die lebenslangen Doping-Sperren gegen 28 russische Wintersportler wegen unzureichender Beweislage aufgehoben. Elf weitere Sportler bleiben für die Spiele in Pyeongchang ausgeschlossen, ihre lebenslangen Sperren für Olympia sind ebenfalls ungültig. Das IOC beharrt auf seiner Position, in Südkorea nur die Athleten starten zu lassen, die auf seiner Einladungsliste stehen. Das sind derzeit 169.

Nach dem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes CAS will Russland um weitere 15 Einladungen bitten, sagte der Vizepräsident des russischen Olympischen Komitees Stanislaw Posdnjakow am Donnerstag. Auf der Bittsteller-Liste stehen auch Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow und Skeleton-Olympiasieger Alexander Tretjakow. Dirk Schimmelpfennig, Chef de Mission des deutschen Teams, sagte: „Ob weitere russische Athleten wider Erwarten dazu kommen, entzieht sich unserem Einfluss. Wir bereiten uns auf die Olympischen Winterspiele vor, konzentrieren uns auf die Wettkämpfe und versuchen erfolgreich zu sein.“

Das Internationale Olympische Komitee gab am Freitag keine öffentliche Stellungnahme ab. An diesem Samstag tagt sein Exekutivkomitee. Wie geht es mit der Bitte der Russen um weitere Einladungen um? Offen ist auch die Frage, ob das IOC vor das Schweizer Bundesgericht zieht, um den CAS-Spruch anzufechten. Allerdings würde dort nur geprüft, ob in dem Verfahren Formfehler begangen worden sind.

Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), forderte im Interview der Deutschen Presse-Agentur: „Fair Play muss nun zum Markenzeichen der Pyeongchang-Spiele werden.“ Und weiter: „Ich prognostiziere, dass das russische Team in puncto Erfolgsaussichten wieder auf ein Normalmaß und im Medaillenspiegel massiv zurückfallen wird.“ Russland werde zudem „gebrandmarkt ohne Fahne, Hymne und eigene Kleidung die zwei olympischen Wochen“ absolvieren müssen. „Das ist zu Recht eine gewisse Höchststrafe für das russische Team“, sagte er.

Max Hartung, Athletensprecher des Deutschen Olympischen Sportbunds, prognostizierte für Pyeongchang: „Die Form des Betruges wie in Sotschi wird es nicht geben. Es wird fairer als vor vier Jahren zugehen - obwohl das kein hoher Maßstab ist.“

Zu den vielen Merkwürdigkeiten in den vorolympischen Rechtsstreitigkeiten gehört die Frage, warum der CAS am Donnerstag zwar 28 Sperren komplett aufhob, bei elf russischen Athleten aber eine Sperre für die anstehenden Spiele in Südkorea für angemessen hält. Der Schweizer Athleten-Anwalt Philippe Bärtsch sagte der Nachrichtenagentur AP, dass bei den elf Sportlern ein unnatürlich hoher Salzgehalt im Urin nachgewiesen worden war, der als Indiz für Doping gilt. Die kuriose Folge: Zwei Athleten aus dem russischen Olympia-Sieger-Bob von Sotschi bleiben zunächst gesperrt, die Sperre der anderen beiden hat indes keinen Bestand mehr.

Die Vizepräsidentin der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA brachte es auf den Punkt. Die Norwegerin Linda Hofstad Helleland beklagt laut Nachrichtenagentur AP, dass „die Situation, in der wir uns befinden, sehr chaotisch ist. Saubere Athleten und Sportfans aus aller Welt haben das Vertrauen ins System verloren.“

Eisschnellläufer Nico Ihle sieht die Teilnahme von 169 Athleten unter der Bezeichnung „Olympischer Athlet aus Russland“ (OAR) kritisch - und auf seine Weise pragmatisch. „Ich kann für mich nur sagen, dass ich möglichst alle Russen hinter mir lasse, damit es gar keine Diskussionen gibt und ich nicht vielleicht in acht Jahren die Medaille nachgesandt bekomme“, sagte der Vizeweltmeister und Olympia-Vierte von Sotschi.