Mardini: Das Gesicht des Olympia-Flüchtlingsteams
Berlin (dpa) - In wenigen Tagen wird der Olympia-Traum von Yusra Mardini wahr. Dann wird die syrische Schwimmerin mit ihrem Trainer und Betreuer Sven Spannekrebs in Rio de Janeiro eintreffen.
„Die Spannung steigt täglich und man denkt darüber nach, was wohl alles passieren wird“, erzählt Spannekrebs, der ebenso zum ersten Mal an der größten Sportveranstaltung der Welt teilnimmt. „Ich bin stolz und dankbar, dass ich dabei sein kann“, sagt die junge Sportlerin.
Neben Starts über 100 Meter Schmetterling und 100 Meter Freistil warten auf die 18-Jährige einige Medien-Pflichttermine. TV-Anstalten haben schon angefragt, ob sie vor Ort ins Studio kommen könnte. Ein ARD-Team wollte Mardini mit der Kamera auf ihrem Weg nach Rio begleiten - ohne Erfolg. Spannekrebs versucht, die im vergangenen Jahr aus Damaskus nach Berlin Geflüchtete bestmöglich vor der Wucht der Öffentlichkeit abzuschirmen. Um Pressekonferenzen und Empfänge wird das Duo aber nicht herumkommen.
Schließlich ist Mardini mittlerweile ziemlich bekannt. Der hübsche Teenager mit den wachen, schwarzen Augen ist das Gesicht der Flüchtlings-Kampagne des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). „Viele Leute sind durch mich inspiriert. Und ich will sie nicht enttäuschen“, bemerkt sie ernst und verspürt eine gewisse Verantwortung. Mardini möchte zeigen, „dass Flüchtlinge nicht nur Opfer sind. Wir können etwas leisten und erreichen. Wir sind jemand.“
Dabei gilt sie als Symbol der Hoffnung. Dass sich das enorme Medien-Interesse besonders auf sie richtet, liegt auch an der dramatischen Geschichte ihrer Flucht: Das mit über 20 Insassen überfüllte Boot kentert zwischen der Türkei und Griechenland. Ihre Schwester und sie springen ins kalte Wasser der Ägäis und ziehen das Boot mehrere Stunden lang bis ans rettende Ufer.
In Berlin ist ihre Odyssee schließlich beendet. Bei den Wasserfreunden Spandau kommt sie im November unter. Zu diesem Zeitpunkt ist an einen Start bei den Sommerspielen noch nicht zu denken. Am 3. Juni ist es aber dann soweit: Der IOC beruft sie mit neun anderen Athleten in das Flüchtlingsteam, das am 5. August bei der Eröffnungsfeier unter der weißen Fahne mit den fünf bunten Ringen ins Olympiastadion einlaufen wird. Zur Mannschaft gehört auch ein Freund aus Syrien. Rami Anis ist Schwimmer und flüchtete nach Belgien. „Er ist ein super Kumpel“, sagt sie.
Mardinis rasant gestiegener Bekanntheitsgrad offenbart sich durch mittlerweile weit mehr als 1000 Interview-Anfragen aus aller Welt. Sogar Hollywood signalisierte Interesse, ihre Geschichte verfilmen zu wollen. Ihre Facebook-Seite ist bestens besucht. Eine italienische Schülerin schrieb ihr neulich, dass sie das Hauptthema ihrer Hausarbeit gewesen sei.
Vordergründig versuchte sie, den Trubel einfach wegzulächeln. Beim großen Medientag vor vier Monaten in Berlin präsentierte sie sich als unbekümmerter Teenager, der es versteht, spielerisch mit dem Medien-Hype umzugehen. Doch es gab auch andere Zeiten. „Ich habe es manchmal gehasst. Der Druck war enorm“, bekennt sie. Auch deshalb gilt kurz vor Rio ihre ganze Konzentration nur dem Schwimmen.
Mardini trainiert circa 30 Stunden in der Woche. Mehr als die Vorläufe werden vermutlich nicht drin sein. Zumal sie durch den Krieg zwei Jahre lang nicht richtig trainieren konnte. „Erst im vergangenen November bin ich ins normale Training eingestiegen“, erklärt sie. Ihr Fernziel sind die Spiele 2020 in Tokio. „Da träume ich wie jeder Athlet von einer Goldmedaille“, sagt Mardini. Vielleicht kann sie dann wie die meisten Athleten für ihr Heimatland antreten.