Olympia-Kandidatur Madrids: Gegenmodell zum Gigantismus

Madrid (dpa) - Aber Madrid hat mit seiner „low cost“-Bewerbung für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2020 Boden gut gemacht.

Aus einer riesigen Brachfläche mit verdorrtem Gras ragt eine geschwungene Tribüne in den Himmel empor. Die Betonkonstruktion am südöstlichen Stadtrand von Madrid hatte einst zu einem Leichtathletik-Stadion gehört, das bis auf die Haupttribüne abgerissen wurde. Diese soll ein Teil des Madrider Olympiastadions werden, wenn die spanische Hauptstadt mit ihrer Kandidatur um die Ausrichtung der Sommerspiele den Zuschlag erhält.

Eine U-Bahn-Station mit dem Namen „Estadio Olimpico“ gibt es auch bereits. Die große Eingangshalle ist fast menschenleer. Hier steigen kaum Fahrgäste ein oder aus. Madrid will bei einem Wahl-Erfolg am 7. September in Buenos Aires das Olympiastadion zum Wahrzeichen der Spiele 2020 machen. Es ist eine der wenigen Wettkampfstätten, die für eine Ausrichtung der Spiele noch gebaut werden müssten.

Die Madrilenen werben damit, dass ihre Stadt für Olympia gerüstet sei und 80 Prozent der benötigten Stadien, Hallen und Infrastrukturen bereits stünden. Die Stadt hatte sich bereits um die Ausrichtung der Spiele 2012 und 2016 beworben, war aber an London und Rio de Janeiro gescheitert.

Das Madrider Olympia-Projekt beruht zu einem großen Teil auf den beiden vorigen Kandidaturen - allerdings mit einem großen Unterschied: Spanien steckt in der Wirtschaftskrise, der Staat muss sparen, das Geld ist knapp. Madrid musste daher kräftige Abstriche machen und sich zu einer „low cost“-Kandidatur durchringen. „Madrid 2020 weist eines der sparsamsten Budgets der Olympia-Geschichte auf“, meinte Bürgermeisterin Ana Botella.

Andere Olympia-Metropolen hatten in der Vergangenheit die Spiele zu einem Modernisierungsschub genutzt. Mit Milliarden-Investitionen ließen sie ihre Stadtbilder umkrempeln. In Madrid wird es dies nicht geben. Es sieht seine Kandidatur eher als ein Gegenmodell zum olympischen Gigantismus - und scheint damit genau den Geschmack des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu treffen.

Die Stadt hat einen Wandel bereits hinter sich: In den vergangenen Jahren wurde - auch ohne Olympia - eine Stadtautobahn unter die Erde verlegt; an den Ufern des Manzanares entstanden kilometerlange Parks für Spaziergänger und Radfahrer; der Flughafen wurde kräftig ausgebaut. Diese Großprojekte brachten der Stadt einen Schuldenberg von über sechs Milliarden Euro ein.

Für olympische Bauprojekte plant Madrid mit einem öffentlichen Investitionsetat von 1,5 Milliarden Euro. „Für diese Summe kommen zu gleichen Teilen der Zentralstaat, die Region und die Stadt auf“, sagte die Bürgermeisterin. „Dieser Betrag ist ohne weiteres zu finanzieren, denn die Ausgaben verteilen sich auf eine Zeit von sieben Jahren.“ Die eigentliche Ausrichtung der Spiele wird mit 2,4 Milliarden Euro veranschlagt. Dieses Geld soll über TV- und Sponsorengelder sowie den Verkauf von Eintrittskarten wieder hereinkommen.

„Wir haben die Madrider Kandidatur so präsentiert, wie es besser kaum geht“, meinte das spanische IOC-Mitglied Juan Antonio Samaranch, Sohn der gleichnamigen früheren IOC-Präsidenten. Seine Schwachstellen - das Anti-Doping-Gesetz und die Wirtschaftslage - habe Madrid aus dem Weg geräumt. „Die Anti-Doping-Frage wurde durch eine neue Regelung vorbildlich gelöst. Und zur Wirtschaftslage haben wir unermüdlich erläutert, dass im Jahr 2020 die Krise weit hinter uns liegen wird.“

Die Haltung der Bevölkerung ist ambivalent. In Umfragen unterstützen zwar 80 Prozent der Madrilenen die Kandidatur. Aber von einer Olympia-Begeisterung kann keine Rede sein. Bei einer Arbeitslosenquote von 26 Prozent haben die Spanier andere Sorgen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Moral der Madrilenen sich explosionsartig verbessern wird, wenn die Stadt den Zuspruch erhält“, hoffte Sportminister José Ignacio Wert. Die großen Parteien der Konservativen (PP) und der Sozialisten (PSOE) stehen hinter der Kandidatur. Die Vereinte Linke (IU) und die liberale Union für Fortschritt und Demokratie (UPyD) sind - anders als bei den vorigen Bewerbungen - dagegen.

Madrid verspricht „kompakte Spiele“ mit kurzen Wegen und lockt mit attraktiven Schauplätzen wie dem Bernabéu-Stadion oder der Stierkampfarena, die für den Basketball vorgesehen ist. Ein großer Teil der Wettkampfstätten liegt in zwei Zonen in einem Umkreis von weniger als 15 km vom Olympischen Dorf entfernt. Die Fußballspiele sollen in Barcelona, Córdoba, Málaga, Saragossa und Valladolid ausgetragen werden, die Segelwettkämpfe vor Valencia.