Team-Küken Ernst freut sich auf Olympia-Premiere
Oberstdorf (dpa) - Ihr keckes Zahnspangen-Lächeln verrät den aufgeweckten Teenager, und auch auf der Schanze bleibt Gianina Ernst ganz cool. An Silvester wurde sie erst 15 Jahre alt, doch das Küken im deutschen Olympia-Team kennt weder Nervosität noch Scheu vor großen Namen.
Dabei muss ihr der bevorstehende Auftritt bei der olympischen Premiere der Skispringerinnen wie ein Märchen vorkommen. „Es ist ein Traum, in Sotschi dabei zu sein“, erzählt Ernst.
Am Dienstag springt die in der Schweiz geborene Senkrechtstarterin, die die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, bei den Junioren-Weltmeisterschaften um Gold. Noch vor zwei Monaten hatte sie diesen Wettkampf als absolutes Saison-Highlight angesehen - nun ist er nur die Ouvertüre zum bisher größten Abenteuer ihrer jungen Karriere.
Immerhin feierte der nur 1,56 Meter große Schanzen-Floh erst in diesem Winter sein Weltcup-Debüt - und das gleich mit einem Paukenschlag. Rang zwei beim Auftakt in Lillehammer bedeutete das Ticket zu den Winterspielen und stellte ihr Leben auf den Kopf. „In der Schule haben mir die Lehrer und viele Leute, die ich gar nicht kenne, gratuliert. Es war ein cooler Tag“, berichtete die im Sommer wegen der besseren Trainingsbedingungen aus der Schweiz ans Oberstdorfer Ski-Internat gewechselte Ernst.
Plötzlich steht die Schülerin im Rampenlicht - und findet sich in dieser Rolle ganz gut zurecht. „Es macht mir Spaß, Interviews zu geben“, erzählte sie unlängst. Dabei wirkt sie genauso souverän wie auf der Schanze. „Ich habe meine Nervosität ganz gut im Griff. Kurz vor dem Sprung versuche ich, an nichts zu denken. Denn wenn der Kopf frei ist, springe ich am besten“, verriet sie.
Bundestrainer Andreas Bauer ist begeistert von Ernst. „Sie ist ein pfiffiges Mädchen, dass sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lässt“, sagte Bauer und beschrieb ihre Vorzüge so: „Sie hat für ihr Alter schon eine sehr gute Absprungdynamik. Und eine gute V-Symmetrie, das heißt, sie hat aerodynamisch eine gute Flugqualität. Und sie kann im hohen Weitenbereich den Telemark setzen. Sie bringt also sehr viel mit.“
Kein Wunder, wurde Ernst der Leistungssport doch praktisch in die Wiege gelegt. Vater Joachim ging einst bei der Vierschanzentournee vom Bakken und war 1982 deutscher Skisprung-Meister. Mutter Cornelia Thomas gehörte in den 80er Jahren zu den besten Schweizer Langläuferinnen. Bei der WM 1982 in Oslo kreuzten sich die Wege der Eltern, die eine Großfamilie gründeten.
Gianina, die in ihrer Freizeit gern schwimmt und liest oder mit Mama Cornelia durch die Loipe stapft, ist das jüngste von sechs Kindern. Behauptungswillen bringt sie da fast zwangsläufig mit. Den beweist sie nun auch im Sport. Der Umstieg ins DSV-Team wurde ihr allerdings auch leicht gemacht: „Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden. Alle helfen mir.“
Ein gutes Timing bewies sie bisher nicht nur auf der Schanze, sondern auch bei ihrer Geburt. Hätte sie das Licht der Welt nach der Silvesternacht 1998 erblickt, wäre die Tür nach Sotschi verschlossen geblieben. Denn das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat ein Mindestalter vorgegeben - und das trifft Ernst auf den Tag genau. Vielleicht gelingt ihr ja auch in Sotschi eine Punktlandung.