Verspielt London die Lust auf Olympia?

Streiks und schlechte Organisation wecken Zweifel an Veranstaltern. Zugschaffner pokern um höhere Renten.

London. Detailplanung und Perfektion ist nichts, was Briten besonders wichtig wäre. Doch mit Improvisationstalent allein kommen die Olympia-Planer womöglich nicht über die letzten Hürden: Eine Woche vor Auftakt der Spiele muss das Innenministerium weitere 1500 Soldaten aktivieren, weil Ordner fehlen. Zugschaffner und Grenzkontrolleure haben derweil für Streik gestimmt — am Tag vor der Eröffnungsfeier wollen sie das Land lahm legen.

Rund 5500 Grenzschutz-Beamte legen kommenden Donnertag, dem Tag mit dem höchsten Passagieraufkommen in der Geschichte des Flughafens Heathrow, die Arbeit nieder. Für Olympia-Planer könnte die Streikandrohung zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen: Fast 200 000 zusätzliche Besucher müssen an dem Tag abgefertigt werden. Negativ-Schlagzeilen über stundenlange Warteschlangen würden selbst die opulente Eröffnungsfeier am nächsten Tag überschatten.

Kurz vor Auftakt der weltweit größten Sportveranstaltung knirscht es in London an allen Ecken. Weil die Sicherheitsfirma G4S nicht die nötige Zahl an Ordnern zusammenbekommt, ist 3500 Soldaten erst einmal der Urlaub gestrichen worden.

Viele von ihnen werden direkt von Afghanistan nach Ost-London umgeroutet, um hier bei Eingangskontrollen zu helfen. Doch auch das reicht nicht. Da rekrutierte Ordner schon jetzt aufgrund von Softwarepannen nicht rechtzeitig zum Dienst bestellt werden können, hat das britische Innenministerium ein weiteres Kontingent von 1500 Soldaten in Paderborn verständigt und auf „Standby“ gesetzt. In der Zwischenzeit müssen Polizisten der Firma G4S unter die Arme greifen. Insgesamt 17 000 britische Soldaten sind zum Schutz der Spiele im Einsatz.

Gegen die Flops im Sicherheitsbereich, mit 780 Millionen Euro immerhin teuerster Posten im Olympia-Budget, nehmen sich andere Pannen fast schon amüsant aus: Da wäre das olympische Feuer, das irrtümlich beim Transport im Rafting-Boot gelöscht wurde, der Busfahrer, der stundenlang mit US-Athleten durch London kurvte und das East End nicht fand oder der Dauerregen, der die umstrittenen Sonderfahrspuren für VIPs allmählich wegspült. Missklänge und Knatsch gibt es auch in der Frage, wer am 27. Juli nun das olympische Feuer im Stadion entzünden darf — Ruderer Steve Redgrave oder Zehnkämpfer Daley Thompson? Dass David Beckham, der London geholfen hat, die Spiele in die Stadt zu holen, nicht Teil des britischen Athletenteams sein darf, ist ein Affront für viele Sportfans.

Während Grenzbeamte sich mit ihrem heikel getimten Streik gegen drohende Jobkürzungen und Outsourcing wehren, ist Olympia für Zugschaffner die goldene Chance, für ihre Renten zu kämpfen. Vom 6. bis zum 8. August — zur Hochphase der Spiele — wollen sie in den Ausstand treten. Damit droht dem Schienenverkehr im ganzen Land Chaos. Nur Londons Busfahrer waren umsichtig: Sie haben sich schon vergangenen Monat eine Einmal-Zahlung von rund 700 Euro erstreikt.