Altersanzeichen - Hambüchen: „In Rio nur Chance am Reck“

Nanning (dpa) - Beim TV-Dreh am Freitag konnte Fabian Hambüchen im Vergnügungspark am Minge Lake endlich auch mal die grünen Seiten der 7-Millionen-Stadt Nanning genießen.

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„Das war schon Stress pur in den letzten Tagen. Ich spüre große Sehnsucht nach Entspannung“, bekannte der 26-Jährige. 17 Übungen durfte er in den vergangenen fünf WM-Tagen zeigen, da waren ein paar Handstände für die ARD-„Sportschau“ an einem See für ihn eher ein Spaß.

In der Bilanz der Titelkämpfe stehen ein verpasstes Reck-Finale und zwei achte Plätze mit dem Team und im Mehrkampf. Rein äußerlich keine Traum-Ergebnisse für einen Star wie ihn, der in elf Jahren Hochleistungssport immerhin 22 Medaillen bei Olympia, WM und EM gescheffelt hatte. Doch Hambüchen ist mit sich und der Welt zufrieden.

„Ich trauere dem Reck-Finale nicht mehr nach. Das junge Team hat ohne Marcel Nguyen besser abgeschnitten als erwartet. Und im Mehrkampf habe ich mit eine fehlerfreien Durchgang meine Zugehörigkeit zu Kreis der Top Acht bestätigt“, zog er in der Sky-Bar im 16. Stock des Mannschaftshotels „Red Forest“ am Freitag ein positives Fazit.

Doch natürlich haben die Jahre intensiven Trainings tiefe Spuren hinterlassen. „Irgendwann kommt der Punkt, wo du nicht mehr so leistungsfähig bist. Die jungen Wilden sind mit dem jetzigen Wertungsrichtlinien groß geworden. Ich musste mich seit 2004 ständig auf neue Bedingungen einstellen. Auch das schlaucht“, gab er zu. „Ich bin ein alter Mann“, sagte er. Und als andere schmunzeln, fügte er hinzu: „Sagen wir mal: Ein alter Turner.“

In zwei Wochen wird er 27 Jahre und gehört damit tatsächlich zu den Veteranen seines Sports. Die Regenerationszeiten werden länger, nicht mehr jede Höchstschwierigkeit kann er ins Auge fassen. „Im Mehrkampf wird es immer schwerer für mich, noch was zu reißen. Aber ich will der Mannschaft mit Blick auf Olympia weiter an allen Geräten helfen. Mein Fokus liegt daher in Rio auf dem Team-Wettkampf und auf dem Reck. Voraussichtlich habe ich dort meine einzige Medaillenchance.“ Er will deshalb in Zukunft noch stärker überlegen, wie er seine Übung am Königsgerät perfektioniert, um Überflieger Epke Zonderland aus den Niederlanden bis Rio Paroli bieten zu können.

Dass dies die Mobilisierung der letzten Kraft-Reserven erfordern wird, ist ihm klar. Insofern überlegt Hambüchen schon, wie er den Rest der Saison gestaltet: Am übernächsten Wochenende (18./19.10.) wartet schon die Bundesliga, zudem hat er zwei Einladungen in die Schweiz, und die beiden Weltcups in Stuttgart und Glasgow stehen im Dezember auch noch an. „Ich glaube, so richtig ruhig wird es erst zu Weihnachten“, befürchtet er.

Große Motivation sei für ihn die Atmosphäre in der Mannschaft mit drei Neulingen gewesen. „In den fünf Wochen war der Teamspirit genial.“ Das bestätigte auch Cheftrainer Andreas Hirsch. „Die Jüngeren wie Lukas Dauser und Philipp Herder haben gezeigt, dass es auch ohne die leider Verletzten Nguyen, Krimmer oder Fahrig geht“, sagte Hirsch „Ich erhoffe mir nun, dass zum Kampf um die Olympia-Qualifikation eine neue Konkurrenz-Situation entsteht, die uns alle voranbringt.“

Wenn die deutsche Mannschaft im kommenden Jahr bei der WM in Glasgow so wie in China abschneidet, hätte sie sich direkt für Olympia qualifiziert - „und alles richtig gemacht“, sagte Hirsch und wird danach philosophisch: „Man sollte nie die Kraft der Schwächeren unterschätzen, die auf ein Ziel fokussiert sind.“