Nowitzki macht Pause - Bauermann: Dirk kommt wieder

Vilnius (dpa) - Die neue Zeitrechnung im deutschen Basketball begann bereits sechs Stunden nach dem bitteren EM-K.o. Im tristen Morgengrauen der litauischen Hauptstadt wollten Superstar Dirk Nowitzki und Bundestrainer Dirk Bauermann so schnell wie möglich weg.

DBB-Präsident Ingo Weiss warnte noch in Vilnius vor einem Schnellschuss bei den offenen Personalfragen. Ohne den NBA-Champion und ohne Bauermann muss der Verbandsboss die große Zäsur vorantreiben - die beiden Protagonisten der vergangenen Jahre stiegen um fünf Uhr morgens in den Flieger Richtung Deutschland und beendeten Nowitzkis wohl letzte Länderspiel-Dienstreise nach 141 Einsätzen gemeinsam.

„Ich war einfach nicht in der Verfassung, um hier ein großes internationales Turnier zu spielen und zu dominieren, so wie ich es in der Vergangenheit immer gemacht habe“, bilanzierte Deutschlands Vorzeige-Korbjäger nach der entscheidenden 75:84-Pleite gegen Gastgeber Litauen frustriert. Sein wahrscheinlicher Abschied ging im Hexenkessel von Vilnius fast unter. 25 Sekunden vor Spielende verließ der 33-Jährige mit hängendem Kopf das Feld, legte sich ein Handtuch über die Schulter und sank erschöpft auf die Ersatzbank.

In den kommenden Jahren werden andere Spieler die Verantwortung übernehmen müssen, die der Würzburger bei dieser EM nach seiner Mini-Pause einfach nicht tragen konnte. Nowitzki holte alles aus sich heraus, doch dieses Mal reichte es nicht. Weiss sinnierte bereits über die Zeit nach Nowitzki, die vielleicht „auch mit Nowitzki sein kann“, sollte sich Deutschlands bester Basketballer wider Erwarten dazu entschließen, doch noch einmal das Trikot mit dem deutschen Adler zu tragen.

„Wir haben viele Rohdiamanten und wir haben Zeit, etwas aus ihnen zu machen“, versprach der Spitzenfunktionär. Gespräche mit einem möglichen Bauermann-Nachfolger laufen, den Namen will der Deutsche Basketball Verband (DBB) erst in einigen Monaten verkünden.

Nowitzki hatte sich gegen die Empfehlung von vielen entschieden, in Litauen zu spielen, obwohl er nach mehr als 100 NBA-Spielen und drei Wochen Dauer-Party im Anschluss an den NBA-Titel gar nicht in Topform sein konnte. Bauermann wies die selbstkritischen Aussagen seines Superstars, allein schuld am Ausscheiden zu sein, daher vehement zurück. „Das ist doch absurd. Dass es sich Dirk überhaupt angetan hat, sich hier zwei Wochen lang verprügeln zu lassen, das ist doch sensationell“, sagte der Bundestrainer.

Für ihn war die Partie in Vilnius ebenfalls der letzte Auftritt. „Auch für mich ist das eine Zäsur“, sagte der 53-Jährige und bekam dabei feuchte Augen. In einer emotionalen Ansprache beim nächtlichen Bankett verabschiedete er sich von seiner Truppe und den zahlreichen Verbandsmitarbeitern. „Mir ist um den deutschen Basketball absolut nicht bange“, sagte Bauermann. „Wir haben durchaus etwas zu bieten“, sagte Weiss, denn auch ohne Nowitzki und US-Center Chris Kaman, der die nächsten Jahre wohl ebenfalls nicht zur Verfügung stehen wird, hat das Nationalteam Perspektive.

Weil die Auslosung bei dieser EM groteske Züge hatte und mit Frankreich, Spanien, Litauen, Serbien, Türkei und Deutschland gleich sechs Topnationen in der gleichen Zwischenrunden-Gruppe spielten, gibt es hinter den Kulissen zaghafte Versuche, für das olympische Qualifikationsturnier im Juli 2012 noch einige Wildcards zu verteilen. Wahrscheinlicher aber ist, dass Deutschland diesmal bei Olympia nicht dabei ist und sich auf den Neuaufbau konzentrieren kann. Die Zukunft beginnt jetzt.

Vor allem Robin Benzing machte in Litauen einen großen Schritt in Richtung internationale Spitze. Nowitzki sieht für die Zeit nach ihm daher keineswegs schwarz. „Das sind gute Jungs, die, wenn sie weiter hart arbeiten, noch eine positive Entwicklung vor sich haben.“

Als nächstes Ziel steht im kommenden Sommer die Qualifikation für die EM 2013 in Slowenien an. 2014 folgt die WM in Spanien, und auch Olympia hat die Nach-Nowitzki-Generation nicht ganz abgehakt. „In vier Jahren gibt es hoffentlich eine neue Chance“, sagte Spielmacher Heiko Schaffartzik, ein weiterer wichtiger Mann für die Zukunft.

Und wer weiß, vielleicht taucht irgendwann auch Nowitzki noch einmal im Nationaltrikot auf. „Mein Gefühl ist, dass er den Adler noch mal auf der Brust tragen wird“, sagte Bauermann. Nowitzki selbst trat zumindest nicht zurück, auch wenn sein Dank an Verband und Fans schon ein bisschen nach Abschied klang. Gleichwohl versprach er, sich weiter für den deutschen Basketball zu engagieren. „Ich bin ja jeden Sommer in Deutschland, da wird sich schon etwas finden.“