Ex-Weltmeister Abraham gewinnt umstritten - Rocchigiani: „Beschiss“

Offenburg (dpa) - Arthur Abraham boxte sich zu einem schmeichelhaften Punktsieg über Patrick Nielsen durch - ein überzeugendes Comeback sieht aber anders aus.

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Ex-Weltmeister Graciano Rocchigiani nahm als Experte beim TV-Sender Sport1 wie immer kein Blatt vor den Mund und schloss Interpretationen seiner Einschätzung aus: „Beschiss. Das Urteil ist nicht zu vertreten“.

Etwas zurückhaltender bewertete die ehemalige Box-Weltmeisterin Regina Halmich in der Nacht zu Sonntag in der Offenburger Baden-Arena das 2:1-Urteil der Punktrichter (113:114, 116:111, 116:111 für Abraham): „Arthur war zu passiv“. Der verärgerte Nielsen („Ich habe gewonnen“) forderte einen Rückkampf in Kopenhagen.

Trotz allem: Der 38 Jahre alte Abraham, seit Jahren nicht mehr auf der Höhe ehemaliger Klasse, steht wohl noch noch einmal vor einem WM-Kampf - womöglich gegen seinen Stallgefährten Tyron Zeuge. Der WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht (25) liebäugelt dem Vernehmen nach mit einem Abgang aus dem Hause Sauerland-Promotion. Die Gerüchte dementierte Chef Kalle Sauerland allerdings umgehend: „Arthur hat noch einen Vertrag bis Ende 2019 - er bleibt“.

Als alternativer Abraham-Gegner könnte zunächst erneut Nielsen oder der ungeschlagene Weltmeister Gilberto Ramirez bereit stehen. Gegen den hatte Abraham 2016 in Las Vegas sang- und klanglos seinen Titel - fast ohne Gegenwehr - verloren. Der Mexikaner steht wie Nielsen in der unbequemen Rechtsauslage. Damit hatte Abraham am Samstag neun Monate nach seiner Niederlage gegen den Briten Chris Eubank junior seine Mühe.

Wie immer kam er nur schwer auf Touren. Erst in Runde vier wachte der Berliner Supermittelgewichtler mit armenischen Wurzeln auf und hatte in der neunten und zehnten Runde seine besten Momente. Auch wenn unerklärlich blieb, warum Ringrichter Giustino di Giovanni aus Italien Nielsen stehend angezählt hatte. „Ich bin Spätstarter. Bis alles da ist, startet mein Motor immer erst in der dritten oder vierten Runde“, lautete der Abraham-Befund des stotternden Beginns.

Mit den Kritikern - auch sein gerade 76 Jahre alt gewordenes Trainer-Unikum Ulli Wegner in der Ringecke war nicht zufrieden - stimmte Abraham nicht überein. „Das Urteil war korrekt. Am Anfang war er vorne, aber dann habe ich aufgeholt, Gas gegeben und zum Schluss versucht, ihn K.o. zu schlagen. Ich will so schnell wie möglich wieder Weltmeister werden“, sagte er noch im Ring, den Nielsen umgehend und unter Protest verlassen hatte.

Das Urteil war zu vertreten, auch wenn es mit 116:111 sicher wesentlich zu deutlich ausfiel. Nielsen hatte neben seiner erstaunlichen Beweglichkeit und gewisser Nehmerqualitäten nicht viel zu bieten. Abraham traf zwar weniger, aber härter und schaltete meist zu Rundenende - effektiv für die Punktrichter - in den Vorwärtsgang.

Aber eine Empfehlung für einen weiteren Titelkampf war die Vorstellung, die er auch als nachträgliches Geburtstagsgeschenk für Wegner verstanden wissen wollte, ganz sicher nicht. Ein sofortiges Karriereende würde dem Familienvater, der seine WM-Titel zu Hochzeiten in den maßgeblichen Verbänden IBF und WBO 16 Mal verteidigt hatte, vielleicht besser zu Gesicht stehen.