Klitschko-Jäger Pulew: Mir gehört die Zukunft

Hamburg (dpa) - Wenn sich Kubrat Pulew in die Einsamkeit seines heimatlichen Trainingslagers auf dem Belmeken zurückziehen kann, atmet der Bulgare auf.

Foto: dpa

„Trainer, freu dich. Da bist du frei, da hast du Luft und Natur“, ruft der frühere Box-Europameister und Klitschko-Herausforderer und wuchtet seinem 40 Kilo leichteren Coach die riesige Pranke auf die Schulter, sodass der vom Stuhl zu kippen droht. Otto Ramin verzieht das Gesicht. „Ja klar, die Landschaft ist wunderschön und die Bedingungen sind top. Aber da sagen sich doch Fuchs und Hase Gute Nacht“, entgegnet er. Die Sportschule im bulgarischen Rila-Gebirge liegt auf 2000 Metern Höhe. Ramin musste mit seinem Schützling in den vergangenen Monaten zweimal dorthin.

Pulew hat im Profiboxen keinen klangvollen Namen, wie ihn andere in der Königsklasse besitzen. Den kann sich der 33-Jährige mit dem Kampf am Samstag in Hamburg gegen Dreifach-Champion Wladimir Klitschko aber verdienen. Der immer zu Scherzen aufgelegte Bulgare ist ein Kerl wie ein Baum, zwar vier Zentimeter kleiner als Klitschko, aber nicht minder respekteinflößend. „Mein Ziel ist, Weltmeister zu sein. Aber bekannt zu sein, das ist nicht mein Ziel“, sagt Pulew und gibt damit sein Selbstverständnis wieder, das sich stark von dem des Weltbürgers Wladimir Klitschko unterscheidet.

Pulew hat andere Vorstellungen, was das Geschäft im Boxen betrifft. „Ich brauche keine Millionen“, sagt er. „Wofür? Was soll ich damit? Das macht mich doch nicht glücklich.“ Wenn andere nach den dicksten Börsen streben, so akzeptiert er das. Er selbst lässt sich von anderen Begehrlichkeiten treiben. „Für mich ist Sport nicht Business. Sport ist Lebensinhalt, ein Traum, eine Manie.“ Immerhin stehen ihm 1,4 Millionen Dollar aus dem Klitschko-Kampf zu. Die nehmen sich geradezu bescheiden gegen die 5,7 Millionen Dollar aus, die Champion Klitschko kassiert. „Kubrat steht nicht auf Protz. Er ist ein ehrlicher Mensch, immer geradeaus. Der sagt, wie es ist“, erklärt sein Promoter Kalle Sauerland. „Kubrat ist ein Typ.“

Wenn er in Berlin trainiert, wohnt Pulew im Drei-Sterne-Hotel eines Landsmannes. „Er heißt Kubrat wie ich. Jetzt ist er auch Boxfan. Wir sind gute Freunde geworden“, berichtet der Schwergewichtler, der seine 20 Profikämpfe allesamt gewonnen hat. Hotelchef Panew hat seine Herberge mit einem mehrere Meter großen Bild von Pulew geschmückt. In Bulgarien ist der Boxer ein Star. Er ist Sportler des Jahres, lebt mit Popstar Andrea zusammen, einer der bekanntesten Sängerinnen des Landes. Das Berliner Trainingsquartier, eine frühere Schulsporthalle im Plattenbaugebiet Marzahn, wo der Verein „Boxen statt Gewalt“ residiert, ist nicht mondän, aber geräumig. „Hier habe ich alles. Das reicht“, sagt Pulew.

Als Profi hat er längst nicht die Erfahrung eines Klitschko - der Ukrainer bringt es mittlerweile auf 65 Kämpfe und 62 Siege. Pulew hat aber schon bekannte Boxer das Verlieren gelehrt: den Briten Michael Sprott, den Hamburger Alexander Dimitrenko, den Weißrussen Alexander Ustinow, den Amerikaner Tony Thompson. „Früher hat das Klitschko-Lager so getan, als sei Kubrat die größte Pfeife. Aber er ist nicht umsonst die Nummer eins der IBF-Rangliste“, sagt Trainer Ramin. „Und Klitschko ist älter als ich“, betont Pulew. Fünf Jahre trennen die beiden. Der Bulgare will den entscheidenden Unterschied zwischen Champion und Herausforderer ausgemacht haben: „Mir gehört die Zukunft, seine Zeit ist vorbei.“