Sturm frustriert nach WM-Niederlage: Karriereende?

Frankfurt/Main (dpa) - Der Frust über den verpassten WM-Titel saß so tief, dass Felix Sturm sein Karriereende erwog. „Es kann mein letzter Kampf gewesen sein“, sagte der Profiboxer nach der Punktniederlage gegen den Russen Fedor Tschudinow.

Foto: dpa

Eigentlich hatte der 36 Jahre alte Kölner vor 8500 Zuschauern in der Frankfurter Festhalle seinen fünften WM-Titel ergattern und damit einen Rekord im deutschen Berufsboxen aufstellen wollen. Doch Weltmeister des Verbandes WBA im Supermittelgewicht ist nun der neun Jahre jüngere Russe. „Ich werde überlegen, was das Beste für mich und meine Familie ist. Ich möchte nicht das Auf und Ab in meiner Karriere“, erklärte Sturm. Derzeit geht es nur bergab: In seinen drei jüngsten Kämpfen gab es zwei Niederlagen und ein Unentschieden.

Der Deutsche mit bosnischen Wurzeln hatte keine Linie gegen den gleichmäßig wie ein Uhrwerk schlagenden Gegner gefunden. Was ihm sechs Monate zuvor beim Unentschieden gegen den Magdeburger Ex-Champion Robert Stieglitz gelungen war, vermissten die Zuschauer diesmal. Sturm fehlten Lockerheit und Leichtigkeit. „Er war fest, hatte keine Spritzigkeit“, monierte der frühere Schwergewichts-Profi Axel Schulz, der als Co-Kommentator am Sat.1-Mikrofon saß. Sturm konnte da nicht widersprechen: „Ich war verkrampft.“

Der Kampfverlauf war so eindeutig, dass die Sturm-Fans das Schwenken ihrer bosnischen Fahnen einstellten und in ihren Heimatgesängen verstummten. Nur einer unter der beeindruckenden Kuppel der Festhalle hatte Sturm als Sieger ausgemacht: Ein Punktrichter lag mit seiner Wertung von 116:112 für den Deutschen so weit neben der Realität, dass ihm eigentlich die Lizenz für seine Tätigkeit am Ring entzogen werden müsste. Seine Kollegen werteten mit 118:110 und 116:112 für Tschudinow, der Mitglied des Putin-treuen russischen Rocker-Clubs „Nachtwölfe“ ist und von diesem in Frankfurt unterstützt wurde.

Promoter Kalle Sauerland vom Berliner Konkurrenzstall war angetan vom Russen. „Er ist eiskalt. Ein super, super Talent. Der hat einen Puls von 50, wenn er kämpft“, meinte der Geschäftsmann. „Bei Felix war keine Strategie dahinter. Aber er hat Herz gezeigt, über zwölf Runden solche Treffer zu nehmen.“ Sauerland schwärmt weiterhin von einem möglichen Duell seines Boxers Arthur Abraham gegen Sturm: „Das wäre der deutsche Mayweather-Pacquiao-Kampf.“ Abraham erlebte die Niederlage seines Kollegen direkt am Ring. „Seit zehn Jahren reden wir von diesem Kampf. Jetzt kann er kommen. Ich bin bereit. Es muss auch nicht um einen Titel gehen“, sagte der WBO-Weltmeister. Weil erhebliches finanzielles Potenzial in dieser Paarung steckt, wird Sturm sein angedachtes Karriereende wohl verschieben.

Noch lange nicht ans Aufhören denkt Jack Culcay. Er hatte sich zwei Stunden zuvor den Interims-WM-Titel der WBA im Halbmittelgewicht geholt. Gegen den Leverkusener Maurice Weber gewann der Darmstädter einstimmig mit 115:112, 116:111, 118:110. „Jack hat sich deutlich gesteigert. Er zeigt sensationelle Bewegungen, nimmt aber noch zu viele Treffer“, betonte Sauerland. Von dessen Cheftrainer Ulli Wegner wird Culcay seit drei Monaten betreut. Im September soll der frühere Amateur-Weltmeister seinen Titel verteidigen. Dann könnte Culcay kampflos vom Interims- zum regulären Champion befördert worden sein. Denn der jetzige Weltmeister, der Kubaner Erislandy Lara, soll zum Superweltmeister aufsteigen. Die WBA reibt sich die Hände: Je mehr Titel sie ausschreibt, desto mehr Gebühren kann sie kassieren. Die Funktionärsriege muss schließlich auch leben. Und das möglichst gut.