Sturm und der Titelwirrwarr: Kampf gegen Tschudinow

Frankfurt/Main (dpa) - Boxen hat Unterhaltungswert und erfüllt obendrein einen Bildungsauftrag. Denn der Zuschauer darf mitraten wie bei einem TV-Quiz: Ist Felix Sturm bei einem Sieg gegen den Russen Fedor Tschudinow ein richtiger Boxweltmeister oder nicht?

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Frankfurt/Main (dpa) - Boxen hat Unterhaltungswert und erfüllt obendrein einen Bildungsauftrag. Denn der Zuschauer darf mitraten wie bei einem TV-Quiz: Ist Felix Sturm bei einem Sieg gegen den Russen Fedor Tschudinow ein richtiger Boxweltmeister oder nicht?

Ursprünglich sollte der Kampf am Samstag (22.25 Uhr) in der Frankfurter Festhalle eine Interims-WM sein. „Es geht definitiv um die reguläre WM“, schwört Sturm, der schon viermal einen WM-Titel eroberte und diesen ebenso oft wieder verlor.

Für Verwirrung im Vorfeld hatte jedoch der Weltverband gesorgt. Nach langem Schweigen gab die in Panama beheimatete World Boxing Association am Freitag endlich Auskunft: Es ist eine WM. Dafür wurden hastig die Titel neu sortiert. Die WBA ist jener der vier großen Verbände, der sich regelmäßig mit einem einzigartigen Titelwirrwarr der Lächerlichkeit preisgibt.

Die WBA schafft es, in einigen ihrer 17 Gewichtsklassen drei Weltmeister zu führen: einen Superweltmeister, einen Weltmeister und einen Interimsweltmeister. Der Superweltmeister, wahlweise auch „Vereinigungsweltmeister“ oder „unumstrittener Weltmeister“ genannt, steht über dem Weltmeister, der wiederum verweist den Interimsweltmeister in die dritte Reihe. Unfug? Nicht für die WBA. Ihre Raffgier hat sie erfinderisch werden lassen.

Denn für Titelkämpfe werden pro Boxer Abgaben von drei Prozent (bei Super-WM 1,5 Prozent) der Börsen fällig. Die einfache Rechnung: mehr Titelkämpfe, mehr Einnahmen. So gesehen möchte man der WBA raten, vielleicht noch einen Sommersonnenwende-Weltmeister oder einen Freitag-ist-Fischtag-Weltmeister ins Portfolio aufzunehmen. Schadet nicht ernsthaft, und vielleicht schafft es so selbst der untalentierteste Faustkämpfer, einen Irgendwas-WM-Gürtel zu ergattern.

Im Supermittelgewicht ist Andre Ward (USA) Superweltmeister, Interimschampion ist Tschudinow und bis Freitag war der Brite Carl Froch Weltmeister. Einen Tag vor dem Sturm-Kampf hat die WBA verfügt: Ward behält seinen Titel und darf zunächst einen Nicht-Titelkampf bestreiten. Froch aber wird der Gürtel wegen Inaktivität abgenommen. Später soll der Brite aber gegen Ward zum Pflichtduell um den Titel des Superweltmeisters antreten. Den wäre der Amerikaner aber los, wenn er zuvor gegen den Briten Paul Smith verlieren sollte. Dann gäbe es keine Pflichtverteidigung. Noch Fragen? Bei so viel Titelgeschiebe muss sich der überforderte Boxfan glücklich schätzen, dass die WBA nicht noch einen Interims-Plus-Weltmeister erfindet.

Derweil dürfen sich Sturm und Tschudinow am Samstag um den nunmehr vakanten WM-Titel streiten. Der 36 Jahre alte Kölner ist erleichtert. Er kann zum fünften Mal Weltmeister werden. Das hat noch keiner seiner deutschen Kollegen geschafft. Zudem ist es für Sturm der erste reguläre Kampf im Supermittelgewicht (76,203 kg). Zuvor war er im Mittelgewicht (72,574 kg) beheimatet, musste sich aber stets mit dem Abnehmen quälen.

Andere Klasse, gleiche Veranstaltung, gleiche Problematik: Im Halbmittelgewicht schickt sich Jack Culcay an, Interimsweltmeister zu werden. Der Mann aus Darmstadt, der beim Berliner Sauerland-Stall unter Vertrag steht und von Trainer Ulli Wegner betreut wird, hat es mit dem Leverkusener Maurice Weber aus dem Sturm-Boxstall zu tun. Superweltmeister ist Floyd Mayweather, der bekanntlich alle Titel zurückgeben will, Weltmeister ist Erislandy Lara aus Kuba.

Culcay wird an Nummer fünf, Weber an Position sechs der WBA-Rangliste geführt. Der in Ecuador geborene einstige Amateur-Weltmeister Culcay besaß schon den EM-Titel bei den Profis. „Er führt unsere junge Garde an und kann jetzt ein Zeichen setzen“, sagt Promoter Kalle Sauerland. Siegt Culcay, kann er regulärer Weltmeister werden, wenn Lara als Mayweather-Ersatz zum Superchampion aufsteigt. Culcay ist begeistert: „Der WM-Titel war immer mein Traum.“ Ob nun Interim oder nicht.