Der olympische Markt in Asien
Dass das IOC die Spiele 2020 an Tokio vergibt, liegt auch am wirtschaftlichen Expansionsdenken.
Buenos Aires. Japans Premierminister Shinzo Abe weinte spontan, in der Heimat lenkte Tokios zweiter Olympiasieg nach 1964 zumindest kurz von den gravierenden Problemen um die Reaktorruine in Fukushima ab. Der 60:36-Sieg der 35-Millionen-Metropole im Wahlfinale gegen Istanbul belohnte die aufstrebende Sportmacht — und stürzte das IOC in Erklärungsnot. „Ich bin überwältigt. Wir brauchen Träume und Hoffnung, um unseren Wiederaufbau voranzutreiben“, erklärte Abe.
Die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) verkauften den Zuschlag für Tokio als Entscheidung für Sicherheit, Tradition und Stabilität. In Wahrheit aber haben sie ihr Schicksal und das ihrer Athleten mit einem schwerbeschädigten Atomreaktor verknüpft. Seit der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe am 11. März 2011 reißen die Hiobsbotschaften aus Fukushima nicht ab. 250 Kilometer weiter südlich in Tokio sei „alles unter Kontrolle“, versicherte Abe.
Für die vermeintlich verantwortungsbewussten Olympier schien der Nuklearunfall weniger bedrohlich zu sein als die spanische Wirtschaftskrise, die Madrids dritte Kandidatur belastete. Auch Istanbul, gehandicapt durch die kritische innenpolitische Lage in der Türkei und die Nähe zum Bürgerkrieg in Syrien, war im fünften Anlauf chancenlos. Nach den drohenden Problem-Spielen 2014 in Sotschi und 2016 in Rio habe es eine große Rolle gespielt, dass Tokio „sichere Spiele“ abliefern könne, meinte IOC-Vize Craig Reedie.
„Entdecke das Morgen“ war der Slogan der Japaner, die bei ihrer zweiten Bewerbung auf ein kompaktes Konzept in zwei Zonen setzten. 85 Prozent der Wettkampfstätten liegen in einem Radius von nur acht Kilometern zum olympischen Dorf. „Das war eine Grundsatzentscheidung für Tradition und Stabilität und gegen den Aufbruch zu neuen Ufern“, sagte IOC-Vize Thomas Bach.
Tatsächlich ist das Ja zu Tokio nur zwei Jahre nach den Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang ein weiterer Beleg für das wirtschaftliche Expansionsdenken des IOC. Tokio 2020 versprach die höchsten Einschaltquoten der olympischen TV-Geschichte und den größten Ticketmarkt der Welt — der bevölkerungsreichste Kontinent der Welt macht’s möglich.