Serie: 80 Jahre DEG (Teil 6) DEG: Von ganz unten nach (fast) ganz oben
Nach dem Ausstieg der Metro sah es düster aus. Zwei Jahren war die DEG Letzter. Ehe das neue Trainerduo für eine unglaubliche Wende sorgte.
Düsseldorf. Irgendwann war Daniel Kreutzer an dem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr weiterging. Spieltag für Spieltag kassierte sein hoffnungslos überfordertes Team krachende Niederlagen. Selbst die Fans aus Köln und Krefeld guckten nur noch mitleidig auf die Düsseldorfer EG. „Ich habe schon die Überlegung gehabt, ob ich nicht irgendwo anders hingehen soll“, sagte Kreutzer jüngst mit Blick auf die sportlich wohl bittersten beiden Spielzeiten der DEG-Geschichte.
Denn wenn selbst er — Ur-Düsseldorfer, Kapitän und Gesicht des Vereins — keine Lust mehr hatte, dann musste es wirklich schlimm um den Club bestellt sein. Dabei hatte die DEG nach dem Ausstieg der Metro mit allen Regeln der Kunst versucht, das Profi-Eishockey in Düsseldorf zu erhalten: Gar Weltkulturerbe wollte sie werden — und kam durch den gelungenen PR-Coup zumindest kurzzeitig wieder in die überregionalen Schlagzeilen. Doch Geld kam dadurch nicht wirklich rein.
Also mussten die Stadt und ihre Tochterunternehmen die Portemonnaies öffnen. Zudem sammelten die Fans, die Toten Hosen legten mal wieder ein Trikot auf und Unternehmen kauften Retterpakete. Und als selbst das nicht genug war, half ein damals noch anonymer Großspender aus. So reicht es vor der Saison 2012/2013 gerade so für die Teilnahme an der Deutschen Eishockey Liga, aber nicht zu mehr.
So gut wie alle Leistungsträger der Metro-Jahre gingen, gleich vier samt Trainer nach Nürnberg. Dafür kamen alte Recken wie Niki Mondt und Tino Boos wieder, auch Daniel Kreutzer blieb. Doch der Rest des Teams waren Jungspunde auf 400-Euro-Basis und billige Ausländer. Obwohl einige von denen durchaus einschlugen, — Calle Ridderwall wurde mit 51 (22/26) Punkten gar DEL-Topscorer — verpasste die DEG die Play-offs um mehr als 20 Zähler. Zumindest die Fans machten sich einen Spaß daraus, identifizierten sich mit den aufopferungsvoll kämpfenden Teenagern und bejubelten den „geilsten Tabellenletzten aller Zeiten“. Doch im zweiten Jahr begann der Frust. Team und Trainer Christian Brittig waren keine Einheit mehr, auch Ridderwall war wieder weg, der Spaß war mit mehr als 30 Punkten Rückstand auf die Play-offs endgültig vergangen. Es musste etwas geschehen — und es geschah etwas.
Dank der Unterstützung des nun nicht mehr anonymen Peter Hoberg und eines weiteren Millionärs (Mikhail Ponomarev) wagte die DEG den Neuanfang. Doch längst nicht alle trauten den auf DEL-Ebene unerfahrenen Trainern Christof Kreutzer und Tobias Abstreiter. Erneut tippte das Fachblatt „Eishockey News“ die DEG auf den letzten Platz, was der Saisonstart zu bestätigen schien. Das Trikot hatte noch immer keinen Sponsor, auf dem Eis gab es nach sechs Spielen nur einen Sieg. Dafür aber gleich 30 Gegentore. Und dann verletzt sich auch noch Stamm-Goalie Bobby Goepfert. Als alles dachte, es gehe so weiter wie in den Vorjahren, begann das moderne Eishockey-Märchen. Kreutzer und Abstreiter verpflichteten den hierzulande völlig unbekannten Tyler Beskorowany und überzeugten ihr Team von ihrer defensiven Grundordnung. Und plötzlich lief es.
Nach dem Sieg Anfang November beim Spitzenteam aus Hamburg sprang die DEG auf einen Play-off-Platz und gab ihn nicht mehr her. Als sich die Stadt dann Anfang Januar beim Winter Game gegen Köln vor 51 000 Zuschauern in der Arena daran erinnerte, dass sie einen Eishockey-Club hat, war die DEG nicht mehr aufzuhalten. Plötzlich entwickelte sie sich zu einem Spitzenteam, gewann Spiel um Spiel und kämpfte sich bis auf Platz fünf vor. In den Play-offs ging es einfach weiter. Bis ins Halbfinale kam sie und qualifizierte sich für die Champions League.
„Wenn mir das vor der Saison einer gesagt hätte, hätte ich ihn für verrückt erklärt“, sagte Christof Kreutzer, dessen Team zu Beginn der aktuellen Saison gar beim elffachen finnischen Meister TPS Turku gewann und die Euphorie über den Sommer rettete. Und auch wenn die CHL für die DEG schon wieder vorbei ist, sie nach rund einem Drittel der DEL-Saison nur auf Rang elf steht und finanziell immer noch zu stark von ihren beiden Gesellschaftern abhängig ist, ist die Stimmung bei der heutigen 80-Jahr-Feier so entspannt wie lange nicht. Auch Kapitän Kreutzer, immerhin 36 Jahre jung, hat seine Abschiedspläne längst verworfen. Im Gegenteil: „Zwei, drei Jahre wären noch schön.“