Deutsche Eishockey Liga DEG: Die besondere Qualität der vierten Reihe
Düsseldorf · Eishockey Gewöhnlich hat die letzte Sturmreihe in der Rangfolge vor allem defensive Aufgaben. Bei der DEG wird sie immer mutiger. Das soll auch heute im Spiel gegen die Eisbären Berlin helfen.
Harold Kreis mag seit vier Jahrzehnten in Europa leben, aber wenn es um Eishockey geht, beruft sich der 59 Jahre alte Kanadier auf die Bräuche aus der alten Heimat. Vom in der Deutschen Eishockey Liga verbreiteten Mantra der „vier gleichstarken Reihen“ hält der DEG-Trainer wenig. Sein Gesellschaftsmodell basiert auf Hierarchien und Arbeitsteilung: zwei Topreihen für die Kür (Offensivspiel, Überzahl, Tore), zwei weitere für die Pflicht (Gegner nerven, Unterzahl, Gegentore vermeiden). „Wir sagen nicht, unsere dritte und vierte Reihe dürfen keine Tore schießen, aber wenn beispielsweise Manu, Luki und Leon mit der Topreihe der Gegner auf dem Eis sind, dann wissen sie, wer ihnen da gegenübersteht“, sagt Kreis und meint damit: Kassieren sie kein Tor und sorgen für Entlastung, ist der Auftrag erfüllt.
Manu, Luki und Leon sind außerhalb der Kabine als Manuel Strodel (26), Lukas Laub (24) und Leon Niederberger (22) bekannt, sie bilden den vierten DEG-Sturm. Und es ist ihr Glück, dass der neue Chef Großmut beweist. Das hat sie im Vorfeld des Heimspiels am Dienstagabend (19.30 Uhr/WZ-Liveticker) gegen die Eisbären Berlin vor einem ernsten Gespräch bewahrt. Denn am Sonntag gegen Nürnberg (4:3 nach Verlängerung) – dem sechsten Sieg im sechsten Spiel – hatte das Trio seine Kompetenzen eigenmächtig erweitert und ein Tor erzielt.
Folglich seien sie „gar nicht mal so die typische vierte Reihe“, findet Niederberger, „wir sind nicht die Großen, Schweren und Starken, wir kommen mit Geschwindigkeit, wir sind durchaus mehr als nur ein Energiebringer“. So sieht die übliche Jobbeschreibung als Viertreihenstürmer ja aus: Checks fahren, Schüsse blocken, den Puck über die Mittellinie kämpfen. Alles Dinge, die den Rest des Teams psychologisch pushen. Weil es Dinge sind, die wehtun können und Opferbereitschaft verlangen.
Mehr eigene Tore als Gegentreffer und viele druckvolle Phasen
Strodel-Laub-Niederberger müssen derzeit aber kaum Schüsse blocken. In der gesamten Saison waren es erst zwei. Weil sie den Puck selbst gern am Schläger haben. Das beginnt bei den Bullys, die Strodel häufiger gewinnt als verliert. Und das geht mit ihrem wuchtigen Tempospiel weiter.
Das Ergebnis: Erst ein Gegentor, dafür zwei eigene und gleich mehrere Phasen, in denen sie Katz und Maus mit den Gegnern spielten. Auch bei Kontern sehen die Kontrahenten die drei schnellen Düsseldorfer meist von hinten. Den Nürnbergern passierte das am Sonntag mehrfach. Einmal endete das mit einem Pass von Laub auf Strodel, der legte quer auf Niederberger, der schoss zum 2:1 ein. Einen „super Job“ mache das Trio, sagt Trainer Kreis.
Entsprechend wenig fühlten sie sich als Stürmer vierter Wahl, sagt Niederberger: „Uns ist die Bezeichnung völlig egal, wir haben fast so viel Eiszeit wie die anderen.“ Das stimmt nicht ganz, im Schnitt sind es knapp zehn Minuten bei Fünf-gegen-Fünf, die Topreihen bekommen etwa sechs Minuten mehr. Doch auch zehn Minuten sind im Vergleich zu anderen vierten Reihen eine Menge Verantwortung, manch ein DEL-Team spielt fast dauerhaft mit nur drei Formationen.
Die hinteren Reihen haben durch die Wertschätzung enormes Selbstvertrauen aufgebaut, die Topstürmer bekommen längere Pausen und sind gegen Ende des Spiels frischer. Ein Grund, warum die DEG in Bremerhaven das späte 4:3 erzielen konnte und bereits drei Spiele in der Verlängerung gewann.