Erfahrener Eishockey-Trainer Kein „Psycho Bill“ mehr: Coach Stewart genießt Straubing

Straubing (dpa) - Bill Stewart ist einem nicht böse. Dass der Eishockey-Coach auch heute noch regelmäßig auf die kuriosen Vorfälle des Jahres 2001 angesprochen wird, stört den Trainer der Straubing Tigers nicht.

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„Aber hey, wir reden von vor 10, 15 Jahren, heiliger Bimbam!“, sagt Stewart und lacht. Eine Prügelei auf der Trainerbank und ein vorgetäuschter Schwächeanfall sind neben etlichen Siegen und dem Meistertitel mit Mannheim in jener Saison das, was vielen von Stewart in Erinnerung ist.

In der niederbayerischen Provinz greift der Kanadier, der in der kommenden Woche 60 Jahre alt wird und sich geändert hat, nun noch einmal an. „Ich will danach beurteilt werden, wer und wie ich aktuell bin“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

Die vergleichsweise kleinen Tigers sind in der Deutschen Eishockey Liga nach seinen ehemaligen Stationen Mannheim, Krefeld, Hamburg und Köln eine ganz neue Herausforderung für Stewart. Der Verein setzt auf Stewarts Erfahrung, die ungefähr genauso groß ist wie die vielen Kaugummis, die der Ex-Profi während der Spiele malträtiert.

Mit nur zwei Siegen aus bisher sechs Spielen gehen die Tigers als Tabellenvorletzte in die zwei Heimspiele am Wochenende gegen Krefeld und Köln. Beunruhigen lässt sich Stewart von den Zahlen nicht. Er bringt dem Team seit Sommer ein neues System bei, das aggressives Forechecking und Pressing erfordert. „Wir sehen die Entwicklung“, sagt der Trainer, aber diese brauche Zeit. Außerdem habe sein Team bei drei der vier Niederlagen gut gespielt, etwa beim 1:3 in Berlin. „Wir haben denen deutlich gemacht, wer wir sind!“, meint Stewart.

Ihn selbst braucht man in der DEL nicht mehr vorstellen. „Bill Stewart hat im Eishockey schon viel erreicht und noch mehr erlebt“, sagte Manager Jason Dunham bei der Verpflichtung des Coaches im Frühjahr. Das Erlebte warf nicht immer nur ein gutes Licht auf ihn. Im März 2001 prügelte sich Stewart als Trainer der Adler Mannheim im Playoff-Viertelfinale mit Berlins Co-Trainer Pavel Gross. Im Finale täuschte er gegen München einen Schwächeanfall hinter der Bande vor, um seinen Spielern mehr Zeit beim Schlittschuhschleifen zu verschaffen. „Was passiert ist, ist passiert, damit kann ich leben“, sagt er zu den Episoden. „Ich muss niemandem erzählen, wer ich bin.“

In Straubing fühle er sich pudelwohl, auch wenn das kleine Nest an der Donau anders ist als Städte wie Mannheim, Köln oder Hamburg. „Es gibt hier diese Atmosphäre, die nimmt dich ein“, erzählt er. „Die Stadt und der Enthusiasmus gehen einem nahe.“ Sein Heimatort in Kanada hat gerade mal 2500 Einwohner. „Straubing ist eine Metropole für mich“, erzählte Stewart jüngst der „Süddeutschen Zeitung“.

In Ontario hatte er nach seiner ersten Europa-Zeit als Coach (2000 bis 2011), in der er Spitznamen wie „Kill Bill“ oder „Psycho Bill“ bekam, ein unterklassiges Team trainiert. 2016 ging er zu den Dresdner Eislöwen in die DEL2, nun rief die DEL. Seinen Erfolgshunger hat der Coach behalten. „Zweiter werden ist wie seine Schwester küssen“, hat er einmal gesagt. Inzwischen scheint er ruhiger geworden, Siege sollen ohne Eklats her. „Wir wollen die Erwartungen übertreffen. Alles ist möglich“, sagt Stewart. Er selbst fühlt sich schon als Gewinner. „Ich habe Spaß und genieße den Moment.“