Klage ehemaliger Profis: NHL zwischen Ruhe und Ruin?

Boston (dpa) - Sie riskierten einst ihre Gesundheit - und wollen jetzt dafür entschädigt werden. Die Ende November bei einem Bezirksgericht in Washington eingereichte Gemeinschaftsklage von ehemaligen Eishockey-Profis gegen die nordamerikanische Liga NHL kommt ins Rollen.

Aus den ursprünglich zehn Klägern sind mehr als 200 geworden. Sie unterstellen der Liga, über das Risiko von Kopfverletzungen Bescheid gewusst, die Spieler jedoch nicht informiert zu haben.

Noch bleiben die Liga-Oberen um Commissioner Gary Bettman gelassen. „Wir sind absolut zufrieden, wie Liga und Spielergewerkschaft die Sicherheit der Spieler, inklusive Kopfverletzungen und Gehirnerschütterungen geregelt haben. Dies werden wir auch energisch verteidigen“, betonte Bettmans Stellvertreter Bill Daly. Ähnlich hatte mehr als zwei Jahre lang die National Football League NFL argumentiert. Sie wurde im Juli 2011 von 75 Ex-Profis verklagt, absichtlich klare Beweise für Langzeitschäden am Gehirn durch ständige Kopfstöße zurückgehalten zu haben.

Liga-Boss Roger Goodell wies die Vorwürfe vehement zurück, hob immer wieder scheinheilig hervor, dass Sicherheit und Gesundheit der Spieler oberste Priorität hätten. Als die Zahl der Kläger jedoch auf mehr als 4500 anstieg, knickte die NFL ein und einigte sich Ende August außergerichtlich mit rund 18 000 ehemaligen Spielern und Hinterbliebenen von Ex-Profis auf eine Zahlung von 765 Millionen Dollar. Viele sahen dies als Schuldeingeständnis der Liga.

Die NFL kann eine derartige Summe verkraften. Sie ist mit Einnahmen von mehr als neun Milliarden Dollar die reichste Liga der Welt. Die NHL hingegen, die zuletzt 2011/2012 eine komplette Saison hatte und Einnahmen von 3,2 Milliarden Dollar verzeichnete, würde sich bei einem möglichen Vergleich auf dünnes Eis begeben. Laut Wirtschaftsmagazin Forbes schrieben nur 13 der 30 Teams 2011/12 schwarze Zahlen. Die Florida Panthers mit Nationalspieler Marcel Goc beispielsweise haben seit 1998 jede Saison mit einem Minus von rund 7,5 Millionen Dollar abgeschlossen.

Dennis Seidenberg räumt einem Vergleich kaum Chancen ein. Für den Verteidiger der Boston Bruins kamen die Schritte der Ex-Profis nach der erfolgreichen NFL-Klage allerdings nicht überraschend. Ein großes Gesprächsthema sei es im Team jedoch kaum. Im Gegensatz zu früher würden die NHL-Profis heute von der Gewerkschaft über die Gefahren von Kopfverletzungen aufgeklärt, betonte Seidenberg. „Aber das Thema Gehirnerschütterungen ist in den vergangenen Jahren auch so groß gewesen, da müsste mittlerweile jeder selbst schlau genug sein“, sagte Seidenberg der dpa.

Obwohl Stars wie Eric Lindros, Chris Pronger, Pat LaFontaine oder Mike Richter ihre Karrieren aufgrund von Gehirnerschütterungen beendeten, hat sich keiner von ihnen an der Klage beteiligt. Somit fehlt noch der ganz große Name, der das Anliegen in den medialen Mittelpunkt bringen könnte. Die Bekanntesten der zehn Erst-Kläger - die Namen weiterer wurden nicht veröffentlicht - sind Rick Vaive, der in 930 NHL-Spielen 468 Tore erzielte, sowie Gary Leeman. Er gewann 1993 mit den Montreal Canadiens den Stanley Cup und ließ seine Karriere Ende der Neunziger bei den Hannover Scorpions ausklingen.

Die Klage wirft der NHL nicht nur die Verheimlichung von Gefahren vor, sondern unterstellt ihr auch, nach wie vor ihren Beitrag zu den Verletzungen zu leisten. So sind Prügeleien und Checks zum Körper immer noch erlaubt, ebenso wie der Einsatz sogenannter Enforcer, deren Job es sei, sich zu prügeln. Alles in allem werde so eine „Kultur der Gewalt“ kreiert, heißt es.

Allerdings sind es bislang eher die Spieler gewesen, die diese „Kultur der Gewalt“ bevorzugen und sich neuen Sicherheitsmaßnahmen der Liga widersetzt haben. Dies war der Fall, als 1979 die Helmpflicht kam. Es dauerte bis zu diesem Jahr, ehe die NHL durchsetzte, dass Liga-Neulinge ein Visier tragen müssen. Beim ewigen Thema Fights sprechen sich vor allem die Profis für eine Beibehaltung aus. Denn Prügeleien, so heißt es, gehören nun einmal dazu.