Von Sotschi direkt rein in den NHL-Alltag

Boston (dpa) - Sie haben wenig geschlafen, sind viel geflogen und nur wenige Tage nach Beendigung des olympischen Eishockey-Turniers schon wieder voll in Aktion.

Foto: dpa

Während viele Athleten ihre Medaillen und Erlebnisse von Sotschi genießen können, heißt es in der nordamerikanischen Profiliga NHL: Back to Business. Nur knapp 58 Stunden nach der Schluss-Sirene des Olympia-Finales zwischen Kanada und Schweden standen im Nachholspiel mit den Buffalo Sabres und den Carolina Hurricanes die ersten beiden Teams wieder auf dem NHL-Eis.

Auf der Buffalo-Bank saß, wie zwei Tage zuvor in Sotschi, Schwedens Ersatztorwart Jhonas Enroth. Er war genauso wie die etatmäßige Nummer eins, Ryan Miller, erst einen Tag vor dem Spiel von den Winterspielen zurückgekehrt. „Ich fühle mich ein wenig komisch, das muss wohl am Jetlag liegen“, meinte Miller nach dem 3:2-Sieg. Kein Wunder, zwischen Sotschi und Buffalo liegen neun Zeitzonen.

Tags darauf empfingen die Sabres die Boston Bruins. Deren Trainer, Claude Julien, hatte vor Spielbeginn einen besonderen Wunsch. „Zeigt mich bitte nicht so oft, es könnte sein, dass ich gähnen muss“, sagte er Richtung Kameramänner. Julien war in Sotschi Assistent von Kanadas Cheftrainer Mike Babcock.

Der wiederum winkte vor Spielbeginn in Montreal lässig in die Menge. Zuvor hatte sich Babcock noch schnell seine rot-weiße „Team Canada“-Jacke angezogen, ehe er auf das Eis des Bell Centres musste. Vor der Partie Montreal Canadiens gegen Detroit Red Wings wurden neben dem Coach auch die Olympiasieger des Heimteams, Carey Price und P.K. Subban, geehrt. Babcock hatte sichtbar wenig Zeit für die Feierlichkeiten. Nur drei Tage nach dem goldenen Sonntag von Sotschi war er in seinem Tages-Job gefragt, hinter der Red Wings-Bande. Seine Auswahlspieler Subban und Price, der aufgrund einer Verletzung nicht auflaufen konnte, waren längst wieder Gegner.

So ist das halt, wenn die NHL ihre Stars nur zähneknirschend zu den Winterspielen schickt und deshalb mitten in der Saison für zweieinhalb Wochen die Tore schließen muss. Der finanzielle Schaden soll so gering wie möglich gehalten werden - und deshalb gab's für die Olympia-Teilnehmer keine extra Pause zum Luft holen und auch kaum Zeit, die Medaillen zu feiern. Aus Konkurrenten wurden innerhalb weniger Stunden Clubkameraden. Babcock beispielsweise ist jetzt wieder der Chef von fünf schwedischen Profis, die ihm am Sonntag noch im Finale gegenüberstanden. Bei Meister Chicago Blackhawks spielen Kanadas Olympiasieger Jonathan Toews, Patrick Sharp und Duncan Keith nun zusammen mit den schwedischen Silbermedaillen-Gewinnern Johnny Oduya, Niklas Hjalmarsson und Marcus Krüger um NHL-Punkte.

Zumindest für die russischen Profis dürfte die rasche Rückkehr in den NHL-Alltag eine willkommene Abwechslung sein. So brauchen sie nicht lange über ihre Schmach am Schwarzen Meer nachdenken. „Ich bin froh, wieder hier zu sein und meine Mitspieler zu sehen. Sie haben mir sehr geholfen, positiv zu denken und mich auf mein Spiel zu fokussieren“, sagte Pittsburgh Jewgeni Malkin. „Es war eine schwere Niederlage für mich und Russland. Aber ich bin jetzt fast 30 Jahre alt. Ich muss damit klarkommen, mich da durchkämpfen“, betonte Washingtons Alexander Owetschkin in Anspielung auf das Viertelfinal-Aus gegen Finnland. Er scheint den Schock gut überwunden zu haben, erzielte am Donnerstag das 5:4-Siegtor der Capitals bei den Florida Panthers.

Chicagos Patrick Kane glaubt, dass es noch einige Spiele dauern werde, bevor die Routine auf dem NHL-Eis zurückgekehrt ist. „Bis dahin muss das Adrenalin uns tragen.“ Zum Beispiel am Samstag. Dann empfangen die Blackhawks im Football Stadion die Pittsburgh Penguins zum Open-Air-Spektakel. Im Mittelpunkt werden die Kapitäne stehen - Toews und Sidney Crosby. Beim Endspielsieg in Sotschi hatten sie die ersten Tore erzielt und sich in der Umkleide-Kabine in den Armen gelegen. „Together we are Canada strong“ (Zusammen sind wir stark), stand auf einer rot-weißen Kanada-Fahne, die hinter ihnen an der Wand hing.

Doch jetzt geht's nicht mehr mit-, sondern gegeneinander. Im NHL-Alltag ist wenig Platz für Emotionen. Sotschi war schön und erfolgreich. Aber Sotschi war vergangene Woche. Auf dem NHL-Eis herrscht eine andere Gangart, hier wird härter und körperbetonter gespielt als bei Olympia. Gut möglich, dass sich demnächst zwei Kanadische Olympiasieger prügeln. Schlägereien gehören in der NHL dazu. Back to business.