Vom blassen Cortina zum NHL-Promi Sturm - Eishockey-Cracks angetan
Augsburg (dpa) - Die euphorische und direkte Art des neuen deutschen Bundestrainers Marco Sturm kommt bei seinen Eishockey-Cracks bestens an.
Mit seiner Ansprache und seiner Leidenschaft hat der frühere NHL-Star die deutschen Nationalspieler schon nach den ersten gemeinsamen Tagen beim Deutschland Cup auf seine Seite gezogen. Die Zuversicht ist nach der gescheiterten Mission unter dem blassen Vorgänger Pat Cortina zurück in der deutschen Nationalmannschaft. Knapp sechs Monate bleiben noch bis zur WM in Russland, knapp zehn bis zur wichtigeren Olympia-Qualifikation für die Winterspiele 2018.
„Marco ist mit dem Herzen dabei. Es ist wirklich eine Herzenssache von ihm, dass er das deutsche Eishockey besser macht“, lobte Nationaltorhüter Dennis Endras nach dem Sturm-Einstand in Augsburg mit einem 2:3 gegen die Schweiz und einem 4:2 gegen die Slowakei. „Unter Marco haben wir einen Extraschub Spaß“, hob Stürmer Philip Gogulla hervor. „Wer Marco kennt, der weiß, dass er ein sehr positiver Typ ist. Da hat er sich auch als Trainer nicht verändert.“
Die positive Stimmung dürfte sich am Sonntag noch gebessert haben. Trotz der Auftaktpleite eröffnete sich für die Deutschen im direkten Vergleich mit dem US-Team die Chance auf den Turniersieg. Das 4:0 der Slowaken gegen die Eidgenossen machte es möglich.
So sehr Sturm es seinen Spielern angetan hat, alle Probleme kann er nicht lösen. Stürmer Gogulla übte am Wochenende scharfe Kritik an der Wertschätzung der deutschen Spieler in der DEL. „Wir müssen einfach eins in Deutschland mal kapieren, dass wir als deutsche Nationalspieler die Aushängeschilder sind und nicht immer die, die von außen geholt werden“, klagte der Kölner. „Der Spieler muss sich den Stellenwert selbst erarbeiten“, sagte DEB-Präsident Franz Reindl.
Sturm ist ein prominentes Aushängeschild seines Sports und soll dem deutschen Eishockey wieder zu einem besseren Ruf verhelfen. Seine ruhmreiche Vergangenheit vereinfacht es ihm, die Spieler für sich zu gewinnen. Mit 1006 Spielen in der stärksten Liga der Welt ist der Bayer deutscher NHL-Rekordprofi. „Jeder hat Respekt vor Marco, man muss nur einen Blick auf seine Karriere werfen“, betonte Endras.
Sturms Name war ein Grund, warum ihn DEB-Präsident Reindl im Sommer überraschend als Bundestrainer und Generalmanager in Personalunion präsentierte. „Es ist schon eine deutliche Handschrift zu erkennen“, schilderte Reindl seine ersten Eindrücke. „Das schaut von außen so aus, als habe er seine Aufgabe im Griff.“ Pat Cortina musste nach drei durchwachsenen Jahren mit dem erstmaligen Verpassen der Olympischen Spiele 2013 und einem zehnten Platz zum Abschluss seiner Amtszeit bei der Weltmeisterschaft im Mai in Tschechien gehen.
Erfahrung als Coach hat Sturm nicht, an der impulsiven Trainer-Legende Hans Zach will er sich ein Beispiel nehmen. Große Gemeinsamkeiten hat der Mannheimer Kai Hospelt bisher nicht festgestellt. „Hans ist Hans und Marco hat seinen eigenen Stil“, meinte der erfahrene Stürmer. Zu diesem Stil gehören direkte Worte, obwohl sich Sturm charmant, freundlich und zurückhaltend gibt.
„Er hat die Fehler deutlich und klar angesprochen“, berichtete Kapitän Patrick Reimer. Seine Ansprachen hält der neue starke Mann anders als in der Vergangenheit üblich nicht in Englisch, sondern Deutsch. „Das Schöne ist ja, dass wir bei der deutschen Nationalmannschaft sind. Da sollte man deutsch sprechen“, sagte Gogulla. Die neue Taktik, die Sturm seinen Spielern vermittelte, ist mehr auf Angriff ausgerichtet. „Man sieht es noch in den Gesichtern der Spieler, dass sie manchmal noch etwas zögern“, erklärte Sturm.
Ein ernsthafter sportlicher Gradmesser war das Vier-Nationen-Turnier ohnehin nicht. Wirklich gemessen wird der neue Coach erstmals bei der Weltmeisterschaft vom 6. bis 22. Mai in Russland und vor allem Anfang September 2016 bei der Olympia-Qualifikation in Riga. Sturm ist angetreten, um die deutsche Auswahl stetig zu verbessern. „Die Tendenz, die man hier spürt, gibt Anlass zu Optimismus“, urteilte Reindl. Sturm aber weiß auch: „Wir haben noch viel Arbeit vor uns.“