1:2 gegen Kanada WM-Aus im Viertelfinale - Sturm vor neuem Vertrag

Köln (dpa) - Der Ehrgeiz von Bundestrainer Marco Sturm bietet dem deutschen Eishockey eine glänzende Perspektive. Das knappe 1:2 gegen Weltmeister Kanada im WM-Viertelfinale reicht dem 38-Jährigen nicht.

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Offensiv moderiert Sturm seine Ambitionen und impft seinen Eishockey-Cracks die neue Denkweise ein. „Jetzt wird es mal Zeit, dass wir mal einen Gegner im Viertelfinale weghauen“, sagte der überragende NHL-Torhüter Philipp Grubauer, ebenso mächtig enttäuscht über den verpassten Halbfinaleinzug bei der Heim-WM in Köln wie Routinier Dennis Seidenberg. Die Top Acht findet der Abwehr-Star „okay“ und „nicht schlecht“, aber eben nicht zufriedenstellend.

Sturm will sich lösen von Erinnerungen an die Vergangenheit sowie das diesmal unerreichte Eis-Märchen von 2010. Der stets höfliche und geduldige 38-Jährige schafft eine angenehm professionelle Atmosphäre und hat für einen Aufschwung gesorgt, den DEB-Präsident Franz Reindl „kometenhaft“ nennt. In nicht einmal zwei Jahren hat sich Deutschland in der Weltrangliste von Platz 13 auf 8 verbessert.

Der Trainer-Neuling spricht nicht wie mancher Vorgänger davon, bloß nichts mit dem Abstieg zu tun haben zu wollen. Nahezu perfekt passt er damit zu Reindls ambitionierten Zielen. Der DEB-Chef will das deutsche Eishockey bis 2026 so weit voranbringen, dass die Auswahl bei den großen Turnieren ernsthaft um Medaillen mitspielt.

Sturms Vertrag läuft bis nach der Weltmeisterschaft 2018 in Dänemark, soll aber vorzeitig nach Gesprächen im Sommer oder Herbst verlängert werden. „Er ist einfach ein Top-Bundestrainer, der seine Spuren hinterlässt und überall gut ankommt“, lobt Reindl.

Zweimal nacheinander führte Sturm den WM-Außenseiter bis ins Viertelfinale, auch das Comeback auf der Olympia-Bühne bei den Winterspielen 2018 spricht für ihn. Dass anders als 2010 der Halbfinaleinzug diesmal nicht gelang, hat vor allem damit zu tun, dass Viertelfinal-Gegner Kanada weitaus stärker war als die damals bezwungene Schweiz.

Für den deutschen NHL-Rekordspieler spricht auch, dass er Spaß und Leidenschaft zurückgebracht hat. Die besten Profis kommen wieder gern zur DEB-Auswahl. Anders als unter Vorgänger Pat Cortina, unter dem es stets zweistellige Absagen gegeben hatt. „Ich bin auf alle Fälle jederzeit bereit, immer wenn Marco anruft“, sagte Washingtons Goalie Grubauer. Er hatte sich ebenso selbstverständlich nach dem Playoff-Aus in der NHL direkt in den Flieger gesetzt wie Topstar Leon Draisaitl. Auch Torhüter-Kollege Thomas Greiss, Stanley-Cup-Sieger Dennis Seidenberg und der vom Verletzungspech verfolgte Tobias Rieder waren angereist.

Dem 25-jährigen Grubauer dürfte anstelle von Greiss, der wegen der Affäre über seine Zustimmung zu rechtsgerichteten Internet-Inhalten in die Kritik geraten war, die Zukunft gehören. Vor allem dank ihm fiel die Niederlage gegen den 26-fachen Weltmeister Kanada deutlich knapper als von den meisten erwartet aus. „Er war wieder eine Wand. Er hat uns die Chance gegeben, das Spiel zu gewinnen“, sagte Sturm.

Ausnahmekönner Draisaitl tat sich schwer, sich vom Niveau der Edmonton Oilers auf das Nationalteam umzustellen. Stärkster deutscher Akteur im Turnier war neben Grubauer der laut Sturm „beste WM-Verteidiger“ Dennis Seidenberg. Auch der einst bestbezahlte NHL-Verteidiger Christian Ehrhoff war in der Defensive eine ungemein wichtige Stütze. Obwohl bald 36 und 35 Jahre alt, signalisierten beide ihre Bereitschaft, im Nationaltrikot weiter aufzulaufen.

Klar ist, dass Deutschland auf einen herausragenden Goalie und seine NHL-Spieler angewiesen ist, um mit der Weltspitze mitzuhalten. „Schwer zu sagen“, antwortete Sturm auf die Frage, was in Zukunft erreicht werden kann und spielte auf Seidenberg und Ehrhoff an. „Denn es sind wahrscheinlich einige gute, ältere Spieler in Zukunft nicht mehr dabei. Jetzt müssen die jungen Spieler Verantwortung übernehmen. Das ist noch schwierig bei uns“.

Bevor Sturm zurück zu seiner Familie nach Florida reiste, zog er zwar ein positives WM-Fazit, forderte aber eine bessere Nachwuchsarbeit und führte Schwächen im Spielaufbau auf das Niveau in der Deutschen Eishockey Liga zurück. „Es ist leider zu oft noch so, dass der ein oder andere doch noch andere Wege geht, als es verlangt ist. Das hat aber auch mit unserer Liga zu tun“, haderte er.

Anders als 2010 soll mit dem Erlös der Heim-WM die Nachwuchsarbeit verbessert werden. Vor sieben Jahren musste sich der verschuldete DEB in die Zukunft retten, diesmal kann der Verband den Gewinn investieren. Die erfreulichen Zuschauerzahlen bei der WM kommen damit dem deutschen Eishockey zugute. „Wir können hier das Geld generieren, was man braucht, um vorwärts zu kommen“, versprach Reindl.