Der Überlebenskampf von Alemannia Aachen

Dem Club droht nach Jahren der Prasserei die Insolvenz. Die Dritte Liga steckt tief in der Krise.

Düsseldorf. Das Stadion zu groß, die Mannschaft zu teuer, der Verein vor der Insolvenz — der Fall Alemannia Aachen schwebt über der Dritten Liga wie ein Damoklesschwert. Wird das Insolvenzverfahren für den Club noch während der laufenden Saison eröffnet, würden, den DFB-Statuten entsprechend, alle Ergebnisse annulliert.

Dann müsste Babelsberg wohl absteigen und Münster und Osnabrück wohl in der Liga bleiben. „Wir werden die Saison zu Ende spielen und streben eine frühzeitige Eröffnung nicht an. Im Gegenteil“, sagt Alemannias Sanierungssprecher Holger Voskuhl. Allerdings entscheide letztlich das Amtsgericht über den Zeitpunkt.

Im Falle eines schon feststehenden Abstiegs, wird eine Verfahrenseröffnung allerdings wahrscheinlicher. „Die Gläubiger haben dann Vorteile, weil bestimmte Sanierungsmechanismen greifen“, sagt Voskuhl und meint zum Beispiel das Sonderkündigungsrecht, das könnte Geld sparen.

Aachen ist Letzter, mit sechs Punkten Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz. Heute geht es gegen den SV Wehen-Wiesbaden. Viel Hoffnung auf sportliche Rettung besteht nicht.

Wie konnte es soweit kommen? Die Aachener hatten doch 2004 schon ihr Goldenes Zeitalter ausgerufen. Erst DFB-Pokalfinale, dann Europa League und schließlich der Aufstieg in die Bundesliga. Alemannia tanzte mit den Schönheiten des Fußballs, baute sich für über 50 Millionen Euro einen neuen Tivoli, und dann ging die Musik aus. Abstieg in die Drittklassigkeit.

Im November stellte der Club einen Insolvenzantrag, Interimsgeschäftsführer Michael Mönig schickte einen großen Teil der zu teuren Spieler weg, um das Sechs-Millionen-Loch im Etat nicht noch schneller wachsen zu lassen. Der DFB zog wegen Lizenzverstößen zwei Punkte ab, die alte Vereinsführung bekam eine Strafanzeige.

Als die Alemannia in dieser Woche unter Auflagen trotzdem eine Drittligalizenz bekam und der Rat der Stadt Aachen die Übernahme eines Großteils der Stadionkosten (1,5 Millionen Euro) für die nächste Saison beschlossen hat, rieben sich viele Fußballfans verwundert die Augen. Hatte doch Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp zuletzt dem WDR gesagt: „Am Ende sind die Kommunen die Leidtragenden. Das kann nicht sein.“ In Aachen ist es aber so.

Und auch in Offenbach, wo den Kickers von der Stadt die Stadionmiete wohl gestundet wird. Finanzielle Flickschusterei wird auch bei Hansa Rostock, dem VfL Osnabrück, Arminia Bielefeld oder beim SV Babelsberg betrieben. Etwa die Hälfte der Vereine der dritten Liga stehen mit dem Rücken zur Wand.

Die Clubs führen gerne das Argument der zu knappen TV-Gelder ins Feld. Statt vier Millionen wie in Liga zwei, bekommen Drittligisten nur 700 000 Euro. Die Politik springt ein, weil Fanvolk auch Wahlvolk ist, sieht den Fehler aber beim DFB, der die Misswirtschaft der Vereine dulde. Dritte Liga, Pleiteliga.

Dem widerspricht DFB-Vizepräsident Rainer Milkoreit: „Es gibt ein funktionierendes Lizenzierungsverfahren.“ Milkoreit sieht die Liga als „Schwelle zum Profifußball“. Das Problem sei, dass viele „Vereine investieren wie Proficlubs, ohne es zu sein“. Für den DFB ist die dritte Liga nach wie vor ein „Erfolgsmodell“ — für viele Vereine der Anfang vom Untergang.