DFL-Sicherheitskonzept verabschiedet
Frankfurt/Main (dpa) - Draußen vor dem Nobelhotel in Frankfurt- Niederrad standen sich Hunderte von Fans zitternd und frierend die Beine in den Bauch - abgeschirmt von einer Polizeieinheit. Drinnen verkündete Ligapräsident Reinhard Rauball im heißen Scheinwerferlicht das Votum:
Mit „großer Mehrheit“ haben die 36 Proficlubs das umstrittene Sicherheitskonzept verabschiedet und alle 16 Anträge abgesegnet. „Ich glaube, dass unter dem Strich der professionelle Fußball als Gewinner aus der Veranstaltung herausgeht“, sagte Rauball nach der Ligaversammlung.
Rauball versprach: „Wir können allen versichern, dass die heutigen Beschlüsse die Fußballkultur in Deutschland nicht gefährden werden.“ Eine klare Botschaft richtete er auch an die Politiker. Innenminister von Bund und Ländern hatten die Vereine, die Deutsche Fußball Liga (DFL) und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) massiv unter Druck gesetzt und eine Entscheidung gefordert. „Der Politik ruf ich zu: Die Drohungen müssen vom Tisch sein“, sagte Rauball.
Der Präsident von Meister Borussia Dortmund betonte zudem: „Ich glaube, es ist eine gute Nachricht, dass die Ligaversammlung in der Lage ist, seine Hausaufgaben zu machen. Wir haben das nicht für die Politiker gemacht, nicht für die Innenminister oder Polizei. Wir haben das gemacht (...), weil wir es für erforderlich gehalten haben.“ Die Innenminister hatten angekündigt, dass der Fußball für Polizeieinsätze bezahlen müsse, wenn der Maßnahmenkatalog jetzt nicht verabschiedet werde.
Zufrieden äußerte sich der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Lorenz Caffier (CDU), mit der Entscheidung. „Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Mitglieder der DFL ihrem Vorstand im demokratischen Abstimmungsverfahren grundsätzlich gefolgt sind. Für den einen oder anderen war das Abstimmungsergebnis sicher ein Sprung über den eigenen Schatten“, erklärte Caffier in Schwerin. Er sehe den deutlichen Willen, das Gewalt-Probleme in Fußballstadien gemeinsamen anzugehen. Die Politik stehe zum Dialog bereit.
„Ein generelles Sicherheitsproblem hat der Fußball nicht, wohl aber an einigen Stellen Optimierungsbedarf“, betonte Rauball. Wie aber beispielsweise die Einlasskontrollen künftig genau aussehen sollen und ob die Anzahl von Gästetickets bei Risikospielen begrenzt werden kann, war zunächst genauso wenig bekannt wie andere Details der Einigung. Die DFL wird den Maßnahmenkatalog zeitnah veröffentlichen.
Rauball nannte „einige Modifikationen“ bei den Anträgen. Peter Peters von Schalke 04, Vorsitzender der Kommission „Sicheres Stadionerlebnis“, sprach von „angemessenen“ Kontrollen und dass das Ticketkontingent für Auswärtsfans „nicht willkürlich“ gekürzt werden kann. Nach Angaben der DFL sollen unter anderem die Fan-Beauftragten verstärkt einbezogen werden, für Pyro-Technik gebe es auch künftig keinen Spielraum. Ziel sei es, die existierenden Sicherheitsmaßnahmen zu optimieren, bei Verstößen täterorientiert vorzugehen und so Kollektivstrafen zu vermeiden.
Bei den meisten Anträgen gab es, so Rauball, eine Zustimmung von mindestens 90 Prozent. Den Vorstoß des Zweitligisten FC St. Pauli auf Verschiebung des Votums hätten fünf Clubs unterstützt, sagte der Ligapräsident. 31 Vereine lehnten dies ab. Die Zweitligisten Union Berlin und FC St. Pauli haben allen 16 Anträgen nicht zugestimmt, wie sie noch am Mittwoch bekanntgaben. Carl-Edgar Jarchow, Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV, hatte den Vorstoß des FC St. Pauli unterstützt und sagte: „Dem überwiegenden Anteil der 16 Einzelanträge haben wir inhaltlich aus Überzeugung zugestimmt. Aus unserer Sicht ist es bedauerlich, dass wir es nicht geschafft haben, mehr Zeit zu gewinnen, um im Dialog mit den Fans für mehr Vertrauen in und Verständnis für das Sicherheitskonzept zu werben.“
Der DFB begrüßte die Entscheidung. „Dass die deutliche Mehrheit der Lizenzvereine Geschlossenheit demonstriert und für das Sicherheitskonzept gestimmt hat, ist ein wichtiges Zeichen für den gesamten Fußball und die überwältigende Mehrheit der friedlichen Fans in Deutschland“, sagte Präsident Wolfgang Niersbach, der mit dem deutschen U 18-Team in Israel weilte.
Fanvertreter lehnen das Konzept rigoros ab und kündigen weitere Aktionen an. „Es steht im Raum, dass weiter protestiert wird“, sagte Philipp Markhardt, Sprecher von „ProFans“ und der „12:12“-Kampagne, der Nachrichtenagentur dpa. „Es waren mehrere Hundert Fans in Frankfurt vor Ort. Da gab es schon die Gespräche, machen wir mit dem 12:12-Protest weiter oder nicht.“ An den vergangenen drei Spieltagen hatten die Anhänger in den Bundesliga-Stadien mit ihrer Schweige-Aktion über 12 Minuten und 12 Sekunden lautlos protestiert.
Ben Praße von der Fanvereinigung „Unsere Kurve“ sagte: „Wir sind enttäuscht, dass dem Antrag der Vertagung nicht stattgegeben wurde.“ Nach seinen Kenntnissen sind keine organisierten Maßnahmen fürs Wochenende geplant. „Wir haben uns von den Fans nicht entfernt, es scheint nur in der Kommunikation etwas schiefgelaufen zu sein“, erklärte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München, die wochenlangen Diskussionen.
Rauball lobte das Votum der Clubs, das seiner Ansicht nach die Autonomie des Liga-Verbandes stärke. Nichts sei schlimmer, als eine Verbandsautonomie zu haben, aber dennoch „nach Vorstellung der anderen“ arbeiten zu müssen, sagte er.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) zeigte sich ebenfalls von der Verabschiedung des Sicherheitskonzepts erfreut. „Es war höchste Zeit, dass der zunehmenden Gewalt in und um deutsche Fußball-Stadien mit konkreten Maßnahmen begegnet wird. Die Richtung, die die DFL jetzt einschlägt, ist nachvollziehbar“, erklärte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Das Papier war nach dem Sicherheitsgipfel mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Lorenz Caffier (CDU), Vorsitzender der Innenministerkonferenz, DFB und Ligaverband im vergangenen Juli in Berlin entstanden.