Ärger über Löw statt Vorfreude in Kasachstan
Astana/Moskau (dpa) - Ärger über Bundestrainer Joachim Löw überschattet in Kasachstan die Vorfreude auf das Fußball-Duell mit Deutschland. „Niemand hat das Recht, unserer Nationalmannschaft vorzuschreiben, wie und gegen wen sie spielen darf“, schimpft ein Verbandsvertreter in der Hauptstadt Astana.
Sauer sind die Kasachen, weil Löw sie in eine Reihe mit Fußball-Zwergen wie Andorra, San Marino und die Färöer gestellt hat. Pflichtspiele gegen solche Teams seien fragwürdig, hatte Löw kürzlich gesagt.
Auf seine Aussagen wurde Löw kurz nach der Landung in Astana am Donnerstagabend prompt auf einer Pressekonferenz angesprochen - und ruderte höflich zurück. „Meine sportliche Sicht als Nationaltrainer ist, dass wir ein paar Länderspiele zu viel haben. Es gibt aber auch eine sportpolitische Seite, und ich weiß, dass es kleine Nationen als Highlight sehen. Deswegen haben solche Spiele ihre Berechtigung. Von daher spielen wir gerne gegen Kasachstan und sind gerne hier“, sagte Löw.
Zwergen-Vergleiche kommen in der auch im Film „Borat“ verulkten Ex-Sowjetrepublik in Zentralasien gar nicht gut an. Denn das neuntgrößte Flächenland der Erde zeigt sich selbstbewusst und ehrgeizig, dank großer Bodenschätze vor allem in Wirtschaftsfragen. Und auch fußballerisch hat Kasachstan ambitionierte Ziele.
Den kühnen Plan einer baldigen Teilnahme an einem internationalen Großturnier aber legte der Verband einmal mehr leise in die Schublade zurück. Bereits nach vier Spielen sind alle Hoffnungen auf eine Teilnahme an der WM 2014 in Brasilien dahin.
Dabei werden die Leistungen stetig besser, vor allem auf dem Kunstrasen in der heimischen Astana Arena. Gegen Irland führte die Mannschaft des tschechischen Trainers Miroslav Beranek sogar bis kurz vor Schluss mit 1:0 - ein Doppelschlag des Favoriten machte aber doch noch die Sensation zunichte. Beim 0:0 gegen Österreich gelang dann der bislang einzige Punkt.
Beranek vertraut dabei fast ausschließlich Akteuren aus der heimischen Liga - einzig die beiden Bundesligaprofis Heinrich Schmidtgal (Greuther Fürth) und Konstantin Engel (Energie Cottbus) spielen im Ausland. Vor allem Schmidtgal, der wie Engel in Kasachstan geboren wurde und als Kind nach Deutschland zog, gilt als Hoffnungsträger. „Er ist wieder fit und zerreißt sich im Kampf“, titelt die Verbandshomepage martialisch.
Mut machen könnte der Auftritt in der ersten Halbzeit im Heimspiel gegen Deutschland vor zweieinhalb Jahren, trotz der 0:3-Niederlage. Forsch und durchaus mit Zug nach vorne stemmten sich die Kasachen damals der Löw-Truppe entgegen, vor allem Schmidtgal sorgte für Wirbel. Auch der Bundestrainer hat bis heute nicht vergessen, dass es zur Halbzeit noch 0:0 stand.
Doch die Spieler aus dem Steppenstaat verbreiten nun eher Durchhalteparolen. „Das ist Fußball, und alles kann passieren“, sagt Mittelfeldspieler Marat Chairullin. „Wir werden versuchen, unsere besten Fähigkeiten zu zeigen.“ Die Fans sollten doch bitte ins Stadion kommen. „Glaubt an uns, auch wenn nicht immer alles funktioniert.“ Freie Sitze wird es in der modernen Arena mit 30 000 Plätzen aber wohl dennoch geben.
Das liegt auch an der sehr späten Anstoßzeit um Mitternacht. Für die Kasachen ist die Umstellung groß - der DFB-Tross will sich erst gar nicht an den fünfstündigen Zeitunterschied zu Westeuropa gewöhnen. „Die Deutschen sind besser im Rhythmus“, meint Chairullin.
Gleich nach dem Abpfiff geht es für die Mannschaft um Kapitän Philipp Lahm wieder zurück nach Deutschland. Nach Hause sollen auch die kasachischen Fans rasch kommen - ausnahmsweise bis 3.30 Uhr nachts fahren die Busse vom etwas außerhalb gelegenen Stadion zurück in die Innenstadt.