Blaulicht und Sirenen: Terror-Angst in Hannover
Hannover (dpa) - Auf sämtlichen Bahnsteigen stehen Polizeibeamte mit Maschinenpistolen. Auch sie wirken angespannt. Niedergeschlagene Fußballfans mit Fahnen und Schals warten auf ihre Züge. So früh wollten sie die Heimreise eigentlich nicht antreten.
Und schon gar nicht zu Fuß vom Stadion zum Hauptbahnhof. Auf Anordnung der Polizei dürfen zwei U-Bahn-Stationen nicht mehr angefahren werden.
Nach der Absage des Länderspiels der deutschen Nationalmannschaft anderthalb Stunden vor dem Anpfiff in der HDI-Arena herrscht Terror-Angst in Hannover. In der Innenstadt heulen die Sirenen der Einsatzwagen, Blaulicht flackert auf den Straßen der Landeshauptstadt.
Noch über zwei Stunden nach der Absage sind alle Zufahrtachsen zum Stadion mit Reihen von Polizei-Kleinbussen und Sanitäts-Fahrzeugen zugestellt. Selbst im angrenzenden Parkgelände mit der Büste des Friedenshelden Mahatma Gandhi versperren bewaffnete Beamte den Weg. „Hier kommen Sie nicht mehr durch“, weist ein Polizist entschieden eine Anwohnerin ab. Journalisten beklagen, dass sie zu ihren Fahrzeugen keinen Zugang mehr hätten. Sie hatten im Gegensatz zu den Zuschauern das Stadion bis zur Evakuierung betreten dürfen.
Als die Nachricht von der Absage Hannover erfasst, preschen innerhalb kürzester Zeit Fahrzeuge mit Sonderkommandos vor. Vermummte und schwerst bewaffnete Polizisten in voller Montur riegeln das Gelände weiträumig ab. Die Evakuierung verläuft weitgehend ruhig - auch wenn einige Fans zunächst Unverständnis äußern.
Sie alle wollten eigentlich dem Terror trotzen, Solidarität zeigen. Die sonstige Fußball-Rivalität zwischen Deutschland und den Niederlanden soll keine Rolle spielen, und ist auch kaum zu spüren. Die Bilder der Terroranschläge von Paris nur vier Tage zuvor sind bei allen noch zu präsent. Die Partie soll aber Signalwirkung gegen den Horror des Terrors in Paris haben.
„Muffensausen habe ich schon“, bekennt jedoch vor dem geplanten Anpfiff ein Bremer Fan, der mit einem Kumpel am Hauptbahnhof eingetroffen ist. Sie wollen sich dem Terror aber nicht beugen, „wir sind da“. Ein Fan aus dem Raum Hamburg, der an seinen Deutschland-Schal einen französischen geknüpft hat, betont: „Wir möchten damit ein Stück Solidarität zeigen.“
Ein großes Polizeiaufgebot soll dafür sorgen, dass die Fans das tatsächlich auch können. „Wir merken, dass die Leute auf unsere Präsenz reagieren. Sie fragen zum Beispiel, warum wir hier mit Bewaffnung stehen. Dann erklären wir, dass das zur Sicherheit passiert. Andere fragen auch nur nach dem Gleis“, erklärt ein Polizist.
Wessel, Max und Rob, drei aus dem Raum Roosendaal an der belgischen Grenze zu der Partie angereiste Oranje-Fans, lassen sich von all dem nicht irritieren. Sie freuen sich Stunden vor der Ansage noch auf einen schönen Fußballabend. Ganz in orange gekleidet sitzen sie am Nachmittag voller Hoffnung auf den Anpfiff in einer Altstadtkneipe bei Schnitzel und Bier.
„Bis zum Anpfiff ist es eine andere Stimmung“, prophezeit einer. „Man kann Paris nicht einfach ignorieren, aber man muss das Leben wieder aufgreifen.“ Nachdenklicher ist ein anderer Niederländer, der mit einem Freund aus dem Raum Utrecht nach Hannover gekommen ist. „Wir haben kurz gezögert“, seine Eltern hätten ihm erst abgeraten. Als hätten sie da schon geahnt, wie dieser Abend enden wird.