Der neidvolle Blick auf die Borussia

Ob Stuttgart, Bremen, Köln oder der Gegner HSV (Mitwoch, 20 Uhr): Alle staunen über die Arbeit in Mönchengladbach.

Mönchengladbach. Es ist zwei Jahre her, da durfte sich der Hamburger SV über ein Lob aus prominentem Munde freuen. Die Hanseaten seien „der einzige Klub, der es von der Stadt und vom Umfeld schaffen könnte, langfristig dem FC Bayern ebenbürtig zu sein“, sagte im September 2012 Uli Hoeneß, damals noch Präsident des FC Bayern. Das tat er auch, um Dortmund zu ärgern, aber die Aussage stand nun mal im Raum.

Im Frühherbst 2014 ist der HSV ein gehöriges Stück davon entfernt, irgendeinem Spitzenklub der Liga ebenbürtig zu sein. Stattdessen blickt man im Norden auf andere Vereine, um zu sehen, welche sportliche Entwicklung man selbst in den vergangenen Jahren verpasst hat. Ein Blick geht dabei zum heutigen Gegner Borussia, laut Hamburgs neuem Trainer Joe Zinnbauer, „eine geile Mannschaft, gegen die wir spielen.“

Kontinuität bei den Verantwortlichen, sportliche Weiterentwicklung, der Einbau eigener Talente oder Schuldenfreiheit — die Aspekte, die der HSV bei den Gladbachern sieht und bei sich selbst vermisst, liegen klar auf der Hand. Seit Lucien Favre bei Borussia im Amt ist, hat der HSV acht Trainer gesehen. Beide Klubs nähern sich im Umsatz an — der HSV von oben kommend, Borussia von unten. Spieler wie ein Max Kruse oder André Hahn, für die ein Verein wie der HSV interessant sein müsste, schließen sich lieber der Borussia an.

Allein: Hamburg ist mit dem respektvollen Blick nach Gladbach nicht allein. Der kriselnde und über vier Jahre sein Budget herunterschraubende VfB Stuttgart kämpft als Traditionsklub mit hohen Erwartungen im Tabellenkeller statt mit Borussia um die Europacup-Plätze. Sportdirektor Fredi Bobic sprach im „Kicker“ in dieser Woche von „schwierigen Prozessen in einer sportlich schweren Situation“.

Ein Werder Bremen im schmerzlichen Konsolidierungsmodus hat Gladbach inzwischen zum Vorbild — nicht mehr umgekehrt, wie früher. Im Umsatz hat Borussia Werder überholt, sportlich genauso. Und selbst ein 1. FC Köln mit dem Vorsatz ruhigen Arbeitens hin zu realistischen Zielen konstatiert in Person von Trainer Peter Stöger: „Die Entwicklung, die ich in Mönchengladbach in den letzten Jahren gesehen habe, ist sehr gut.“

Jenseits der wirtschaftlich vorauseilenden Top Vier (Bayern, BVB, Schalke und Leverkusen) und abseits des Modells VfL Wolfsburg sehen viele Bundesligisten in Borussias Weg heute einen, den man selbst nur allzu gerne realisieren (können) möchte. Für die Borussen ergibt sich aus diesem Lob indes das Problem, dass sie in Spielen wie Mittwoch gegen Hamburg die Rolle des Favoriten zugeschoben bekommen.

„Der HSV macht da aus der Not eine Tugend und gibt sich natürlich als Underdog“, sagt Borussias Sportdirektor Max Eberl. Dass das für ihn nur die halbe Wahrheit ist, daraus machte er keinen Hehl: „Wir sehen Hamburg natürlich nicht als Underdog. Sie haben viel Potenzial und im Sommer ja auch immerhin 26 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben“, sagt Eberl.

Mit der Favoritenrolle einher geht für die Fohlen in jedem Fall die Verpflichtung, das Spiel machen zu müssen. Doch genau das bereitet ihnen Probleme. Schon eine Halbzeit gegen Stuttgart. Dann in Freiburg. Jetzt in Köln. Der Gegner überlässt Borussia die Initiative, und die tut sich schwer damit, aus dem sicheren Ballbesitz heraus nach vorne zu beschleunigen.

„Es hat in Köln nicht der Mut gefehlt, es hat die richtige Bewegung gefehlt. Wir können es besser“, sagte Favre gestern. Gegen einen unter dem neuen Trainer Joe Zinnbauer verbesserten HSV wird es viele gute Bewegungen brauchen, um den zweiten Saisonsieg einzufahren.