Borussia Mönchengladbach DFB-Pokal: Hrgota und der Frust der Fohlenelf
Gladbach betrauert das erneute Aus im Pokal-Halbfinale und muss jetzt die richtigen Schlüsse aus der verkorksten Saison ziehen.
Mönchengladbach. Unter Journalisten wird bis heute gerne über manches Bonmot des eigenwilligen wie erfolgreichen Gladbacher Ex-Trainers Lucien Favre gelacht. Wenn es um Fragen der Aufstellung ging, um eventuell überraschende Startelfkandidaten, da pflegte der Franzose Favre nur zu gern zu sagen: „Vergessen sie Hrgota nicht!“ Oft genug vergaß er selbst diesen schwedischen Schlaks, der in Bosnien geboren wurde, in 69 Bundesliga-Einsätzen für Gladbach dann auch nur sieben Mal traf, obwohl ihm beinahe jeder die Karriere einer ausgesprochenen Tormaschine avisierte.
Hrgota ging dann, nachdem er auch von Favres Nachfolger Schubert vergessen worden war, vor der laufenden Saison nach Frankfurt. Und als er nun wieder zurückkehrte nach Gladbach, da trat er um 23.31 Uhr den 13. Elfmeter des Spiels ins Tor. Trocken und humorlos. Vor der Gladbacher Haupttribüne hatte er alle Bewegungen einer Masse, die durch allerlei Blödsinn die Frankfurter Schützen aus dem Konzept zu bringen versuchte, zum Stillstand gebracht. Entsetzen im Borussia Park. Aber Hrgota rannte über den Rasen, hinter seinem finnischen Torwart Luká Hrádecky her, der slowakischer Herkunft ist, fast diagonal, bis zur Kurve der Frankfurter. „Eine verrückte und herrliche Geschichte“, sagte Frankfurts Sportdirektor Fredi Bobic später und Trainer Niko Kovac lobte den 24-Jährigen Hrgota über den Klee, Arbeitsaufwand und Ertrag stünden zwar noch in keinem Verhältnis, aber Branimir Hrgota, den Frankfurter Journalisten schon als Stolperfuß verunglimpft hatten, lerne auch noch. Tenor: Das wird ein richtig Guter. Eben das, was sie in Gladbach auch schon gesagt hatten. Aber selbst wenn ein Spieler punktuell zum richtigen Zeitpunkt funktioniert, dann hat sich doch schon vieles gelohnt. „Ich habe viel Respekt für Gladbach, ich habe hier vier Jahre gespielt“, sagte Hrgota, „aber natürlich freut es mich auch besonders.“
Ausgerechnet Hrgota. dachten viele Gladbacher. Aber nicht alle. André Hahn etwa war es „vollkommen egal“, wer da getroffen hatte. „Wir sind raus, das ist die Katastrophe.“ Vorher hatte Kapitän Lars Stindl Kopf schüttelnd und mit unfassbar leerem Blick diktiert, dass es ihm für alle leid tue: für den Verein, für die Fans, für die Region. Das Pokalfinale — zuletzt gewann Gladbach in Berlin 1995 gegen den VfL Wolfsburg mit 3:0 nach Toren von Dahlin, Effenberg und Herrlich — musste nicht weitergedacht werden, und das schmerzte zur Mitternacht jeden in Mönchengladbach.
Besonders Max Eberl, der gegen sein Naturell Niedergeschlagenheit verkörperte. Am Ende ist es keine gute Bilanz: Ausgeschieden in der Europa League gegen Schalke (1:1, 2:2), raus im Pokal gegen Frankfurt (7:8 nach Elfmeterschießen), dabei nie ein Spiel, aber doch eben alles verloren. Auch die Europa League über die Liga zu erreichen, ist vier Spieltage vor Saisonschluss für den zuletzt erfolgsverwöhnten Club weit entfernt. „Ich kann jetzt nicht an die Liga denken“, sagte Stindl, auf Letzteres angesprochen. Und Trainer Dieter Hecking sagte: „Die Mannschaft muss jetzt schnell verkraften, dass sie nie wirklich verloren hat, aber immer ausgeschieden ist. Das ist hart.“ Eberl verweigerte gar den künftigen Gang in den Borussia Park, sollte die Fohlenelf noch einmal ein Halbfinale erreichen: 2012 verlor Gladbach zuletzt daheim in gleicher Runde gegen den FC Bayern. Im Elfmeterschießen. Das zermürbt.
Es hatte freilich aber auch Gründe: Gladbach fehlten acht Spieler, darunter Raffael, Kramer, Johnson und Hazard, die prägende Akteure sind. Wendt zog sich dazu einen Ellbogenbruch zu, und bis auf den überraschend starken Nico Schulz zeigte die zweite Gladbacher Reihe nicht zwingend, dass sie solchen Niveauverlust schon auffangen kann. Weil Dahoud und Christensen nach der Saison noch verloren gehen, wird der Einkäufer Eberl in dieser Rolle mehr als je zuvor gefragt sein. Gesucht werden ein neuer Abwehrspieler, ein defensiver Mittelfeldstratege vom Format Führungsspieler, auch mehr Torgefahr in der Offensive, und damit wäre nur ersetzt, aber kaum verstärkt. Gladbach wird sich erneuern müssen. Das ist Gefahr und Chance, aber es fiel an jenem Dienstagabend gegen Mitternacht dann doch eher schwer, das als Chance zu begreifen.