21-jährige Rocco Reitz Einmal Gladbach – immer Gladbach

Mönchengladbach · Rocco Reitz spielt seit der U9 bei Borussia Mönchengladbach – und möchte seine Karriere bei den Fohlen verbringen. Sein Auftritt gegen die Bayern lässt dies möglich erscheinen.

Gladbachs Rocco Reitz (r.) mit Bayerns Serge Gnabry. Im Hintergrund Julian Weigl.

Foto: dpa/Marius Becker

Es erstaunte nicht wenige, dass sich Gerardo Seoane ausgerechnet für das Spiel gegen den FC Bayern München zu einem Startelf-Einsatz von Rocco Reitz entschieden hatte. Der Trainer wollte dem haushohen Favoriten durch eine System-Umstellung vom präferierten 4-2-3-1 auf ein 4-3-3 im Mittelfeld mit einem Mann mehr begegnen, um dort kompakter und robuster auftreten zu können. Zwar ging die Rechnung durch das späte 1:2 von Mathys Tel (87.) nicht vollumfänglich auf, Reitz aber erfüllte seine Aufgabe mit großer Hingabe. Der 21-Jährige bestritt mit 25 Zweikämpfen so viele wie kein anderer Akteur auf dem Feld und spulte die beachtliche Laufleistung von 12,6 Kilometern ab.

Reitz meint zum gelungenen Debüt: „Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Trainer einem jungen Spieler gegen die Bayern sein Vertrauen schenkt. Ich gebe im Training stets alles. Diese harte Arbeit hat sich gelohnt.“ Natürlich war sein Einsatz auch der Tatsache geschuldet, dass in Christoph Kramer (Innenbandanriss im rechten Knie) sowie besonders Manu Koné (Knie-Stauchung) zwei zentrale Mittelfeldspieler wegen Verletzungen nicht zur Verfügung standen. Gleichwohl wie aus dem Nichts fiel Seoanes Wahl auf das Gladbacher Eigengewächs aber auch nicht.

Dem 44-Jährigen dürfte eine Geschichte zu Ohren gekommen sein, die das Fußball-Portal „transfermarkt.de“ in einem Porträt über Reitz erzählt. Als 17-Jähriger war er in einem Training mit den Profis sowohl gegen Oscar Wendt wie auch gegen Lars Stindl derart robust, aber noch fair eingestiegen, dass die beiden Routiniers dem Youngster die Meinung geigten. Der damalige Trainer Marco Rose nahm Reitz weder ins Gebet noch schickte er ihn in die Kabine. Stattdessen fragte er seine Stars, wie es denn sein kann, dass ein erst 17-Jähriger mehr Leidenschaft an den Tag legt als gestandene Akteure und beendete die Einheit zum Nachdenken für alle. Ersatztorhüter Max Grün sagte dann zu Reitz: „Mach‘ nie wieder was anderes. Nur so geht es, nur so ist es richtig.“

Zwei Ausleihen zu
VV St. Truiden ließen Reitz reifen

Geändert hat Rocco Reitz nichts und vielleicht hätte sein Weg bei Borussia Mönchengladbach schneller in die Bundesliga führen können, wenn Rose Trainer der „Fohlen“ geblieben wäre. Dessen Nachfolger Adi Hütter jedoch plante weniger mit ihm, sodass sich die Borussia entschloss, das Talent für die Saison 2021/22 an den belgischen Erstligisten VV St. Truiden auszuleihen. Dort kam er in 23 Spielen durchschnittlich 35 Minuten zum Einsatz und wollte im Sommer 2022 unter Hütters Nachfolger Daniel Farke einen neuen Anlauf in Gladbach nehmen. Farke allerdings setzte nahezu immer auf die gleiche Start-Elf, sodass sich Reitz im Winter 2023 erneut nach St. Truiden ausleihen ließ. „Ich habe der Borussia gesagt, dass ich viel spielen muss, um voranzukommen. Es gibt in der Übergangsphase von den Junioren zu den Senioren einfach nichts Wichtigeres, als regelmäßig auf dem Platz zu stehen.“

Dies gewährte ihm Bernd Hollerbach. Unter dem deutschen Trainer der Limburger stand Reitz in zwölf seiner absolvierten Rückrunden-Partien neunmal in der Start-Elf und spielte dabei fünfmal über die volle Distanz. Reitz schätzte in Belgien besonders die offene Art von Hollerbach, der ihn förderte, sowie forderte und ihm so zum vielleicht entscheidenden Karriere-Schritt verhalf. „Die belgische Liga wird unterschätzt, da geht es ordentlich zur Sache. Dadurch habe ich körperlich große Fortschritte gemacht. Ich komme jetzt viel besser in Situationen, um den Ball zu erobern und nach vorne hin für Druck zu sorgen. Mir hat besonders die zweite Leihe sehr gutgetan. Ich bin als Mensch gereift und als Spieler robuster geworden“, sagte Reitz gegenüber „transfermarkt.de“.

„Es ist mein absoluter Traum,
bei Borussia Fuß zu fassen“

Nun also soll der nächste Start in der Bundesliga endlich klappen und er soll bei der Borussia gelingen. Für Reitz ist dieser Verein die große Liebe. Seit seiner Geburt ist er Vereins-Mitglied, seit der U9 trägt er das Trikot mit der Raute. „Ich bin gefühlt mein ganzes Leben hier. Borussia ist wie eine Familie, ich gebe jedem die Hand. Ich kenne jeden Betreuer, jeden Physio, jeden Zeugwart und sogar jeden Sicherheits-Angestellten. Es ist mehr als ein Arbeitsverhältnis. Es ist ein zweites Zuhause und das liebe ich.“

Bei so viel Liebe blitzte sogar der FC Bayern München ab, der Reitz vor fünf Jahren in Person von Hermann Gerland in den Nachwuchs des Rekordmeisters lotsen wollte. Für Reitz aber gilt das Motto „Einmal Gladbach – immer Gladbach“. Doch so langsam naht der Zeitpunkt, an dem der Durchbruch gelingen muss. „Es ist mein absoluter Traum, bei Borussia Fuß zu fassen und die Rolle zu übernehmen, die ich bei St. Truiden hatte. Ich übernehme gerne Verantwortung, ich mache gerne den Meter mehr, ich haue mich überall rein. Das liebe ich sehr“, erklärt Reitz, erkennt jedoch auch die Zeichen der Zeit. „Man muss jetzt einfach sehen, wie sich das entwickelt.“

Doch warum sollte es angesichts der vom Verein ausgerufenen Rückkehr zum „Gladbacher Weg“ nicht klappen? Kramer wird im Februar 33 Jahre alt und Koné bleibt ein Verkaufskandidat – möglicherweise schon im Januar. Gerade mit seiner resoluten Art ist der gebürtige Duisburger noch dazu einer, den man lieber in den eigenen Reihen hat als beim Gegner. „Das habe ich schon öfter gehört. Das zeigt, dass man unangenehm ist“, sagt Reitz und fügt grinsend hinzu: „Oft steht es dann schon 1:0 für dich.“