Trainingslager am Tegernsee Gladbachs Lukas Ullrich hat endlich wieder Spaß
Rottach-Egern · Das 19 Jahre alte Linksverteidiger-Talent möchte bei der Borussia Gas geben. Bei seinem Jugend-Verein Hertha BSC war er am Ende eine "Persona non grata".
Nach dem Regen kam neuer Regen und mit ihm nun auch noch Kälte. Nur noch neun Grad zeigte das Thermometer in Rottach-Egern am Mittwochmorgen. Also entschied sich Trainer Gerardo Seoane im Trainingslager von Borussia Mönchengladbach zur Absage der geplanten Übungseinheit auf dem Rasen. Stattdessen bereiteten sich seine Spieler im Kraftraum individuell auf das Testspiel gegen Drittligist FC Ingolstadt 04 am heutigen Abend ab 18 Uhr (live bei ServusTV) vor.
Auf dem Sportplatz an der Birkenmoosstraße dürften die beiden Linksverteidiger Luca Netz (20) und Lukas Ullrich (19) jeweils 45 Minuten zum Einsatz kommen. Ob die Borussia für diese Position noch einen erfahrenen Akteur holen oder mit dem Youngster-Duo in die Saison starten wird, ist offen. Vertrauen in die beiden Berliner ist da, gleichwohl bleibt ein Risiko. Für Netz sind bisher 55 Bundesliga-Spiele sowie vier Partien im DFB-Pokal mit einer durchschnittlichen Einsatzzeit von 43 Minuten notiert, Ullrich gab erst im vergangenen Jahr bei der U23 von Hertha BSC Berlin in der Regionalliga Nordost sein Debüt im Senioren-Fußball. „Lukas ist ein vielversprechendes Talent. Er hat bislang eine tolle Entwicklung genommen - auch in der U19-Nationalmannschaft, deren Kapitän er ist", sagte Sportdirektor Roland Virkus.
Bereits vor einem Jahr hatten sich die Gladbacher um Ullrich bemüht. Damals wollte sich Hertha BSC nach dem Verlust von Luca Netz allerdings kein zweites Mal die Blöße geben, ein Talent zu verlieren - noch dazu an den selben Verein. Wie zum Beweis zogen sie den Jungen aus Weißensee in den Regionalliga-Kader hoch, wo er in den ersten fünf Partien sogleich zur Start-Elf gehörte und am dritten Spieltag beim 3:2 über Drittliga-Absteiger Viktoria 1889 Berlin mit dem 1:1 seinen ersten Treffer im Herren-Bereich erzielte. Insgesamt standen am Ende der Saison 18 Einsätze mit zwei Treffern und vier Tor-Vorlagen zu Buche.
Vater Ulf sah für seinen
Sohn keine Perspektive bei der Hertha
„Meine Stärken liegen auf jeden Fall in der Offensive, ich gehe gerne mit nach vorne. Defensiv muss ich allerdings noch an mir arbeiten, da will ich mich verbessern. Zudem kann ich körperlich zulegen. Physis ist im heutigen Fußball sehr wichtig und deshalb habe ich in den vergangenen Monaten bereits viel im Kraftbereich gearbeitet“, meinte Ullrich im Rahmen einer kleinen Medien-Runde in Rottach-Egern. Das Duell mit dem aus Pankow stammenden Netz - mit dem er bei der Hertha lediglich in der U15 einmal gemeinsam auf dem Platz stand - möchte er natürlich aufnehmen, sagt aber auch: „Luca ist schon U21-Nationalspieler und dies nicht ohne Grund. Von ihm kann ich lernen und mich weiterentwickeln. Ich gebe auf alle Fälle 100 Prozent Gas und dann sehen wir, wo die Reise hingeht."
Von der Spree ging sie mit einem Jahr Verspätung nun erstmal an die Niers. Wohl auch, weil die Perspektive beim Chaos-Club aus Charlottenburg nicht wirklich vorhanden war. Zwar lobte der im April entlassene Trainer Sandro Schwarz das Eigengewächs in höchsten Tönen, zum Bundesliga-Debüt verhalf er ihm jedoch nicht. Ein Umstand, der Vater Ullrich stutzig machte. „Ich denke für jeden Berliner Jugend-Spieler ist es ein Traum, im Olympiastadion auflaufen zu dürfen. Das gleiche Gefühl hat mein Sohn auch. Allerdings habe ich so meine Zweifel, dass Lukas bei Hertha BSC wirklich eine Perspektive besitzt. Schließlich trainiert er schon seit einer ganzen Weile wieder bei der U23. Meiner Meinung nach gibt es für ihn keine offene Tür und damit auch keine Grundlage zu einer Vertragsverlängerung. Zumal ihm ja noch nicht mal ein konkretes Angebot vorgelegt worden ist“, erklärte Ulf Ullrich im vergangenen November gegenüber der "BILD".
Mehr als sieben Vereine warben um Ullrich
Also warben neben der Borussia mit Eintracht Frankfurt, der TSG 1899 Hoffenheim, Werder Bremen und dem VfB Stuttgart gleich fünf Bundesligisten um Ullrich. Ebenso zeigten mehrere Zweitligisten sowie mit Stade Rennes und Girondins Bordeaux zwei französische Vereine Interesse. Die "Fohlen" machten schließlich das Rennen. „Das Gesamtpaket hat zu mir gepasst. Gerade bestätigen sich die Eindrücke aus den ersten Gesprächen, alle sind sympathisch und nett. Ich habe permanent Spaß im Training“, erklärte Ullrich am Tegernsee.
Als Kirsche auf die Sahne trifft der 19-Jährige nun auch noch auf seinen früheren U19-Nationaltrainer Guido Streichsbier. Der 53-Jährige ist seit Juli Co-Trainer von Seoane und meint über Ullrich: „Er verfügt über eine gute Flankentechnik und Torgefährlichkeit. Lukas kann 90 Minuten lang mit hoher Intensität spielen und den Gegner defensiv zermürben.“ Allerdings muss der Youngster zunächst wieder in den Spiel-Rhythmus finden. Denn als der Wechsel zur Borussia Konturen annahm, da sortierte ihn Herthas U23-Trainer Ante Covic wie eine beleidigte Leberwurst aus. Seit Ende März hat Ullrich nur noch ein U19-Länderspiel bestreiten dürfen. Von daher ist es durchaus denkbar, dass er zu seinem Einstand im Trainingslager am Tegernsee Frank Zanders Hertha-Hymne leicht abgewandelt mit "Nur nach Hause geh' ich nicht" intoniert.