Kampf um Kramer: Bayer-Leihgabe will Zukunft selbst entscheiden
Fußball-Weltmeister Christoph Kramer steht bis 2017 in Leverkusen unter Vertrag. Nach einem Jahr in Bochum spielt er als Bayer-Leihgabe schon in der 2. Saison für Mönchengladbach. Dort fühlt er sich wohl und würde gern bleiben. Doch Bayer will Kramer 2015 zurück.
Mönchengladbach/Leverkusen (dpa) - Mit der Selbstbestimmung ist das so eine Sache. Vor allem bei Fußball-Profis, wie der Fall Christoph Kramer zeigt. Zuweilen werden Spieler gehandelt wie Ware und immer öfter von einem an den anderen Verein für einen bestimmten Zeitraum verliehen. Manchmal mit ihrer Zustimmung, zuweilen auch gegen ihren Willen. Im Idealfall sind Leihgeschäfte „Win-win-Situationen“, weil der Profi Spielpraxis sammeln kann, die er bei seinem Stammverein nicht bekäme.
Auch Kramer, eigentlich bis 2017 in Diensten von Bayer Leverkusen, wurde verliehen. Gleich mehrfach. Als C-Jugendspieler von Bayer sei er wegen körperlicher Defizite aussortiert und später zu Fortuna Düsseldorf abgeschoben worden, offenbarte Kramer nun in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „11FREUNDE“. In seinen Schilderungen zeigt sich die ganze Härte und Problematik des Geschäfts. „Das war eine ganz harte Zeit für mich. Ich habe in dieser Phase auch den Anschluss an meine Freunde verloren, weil ich mir nur Gedanken über den Fußball gemacht habe“, erzählt Kramer. „In dieser Zeit habe ich oft geheult.“
Zurück in Leverkusen wechselte er auf Leihbasis zum Zweitligisten VfL Bochum, wo er sich als Jungprofi zwischen 2011 und 2013 prima entwickelte. Im Vorjahr konnte Borussia Mönchengladbach den rheinischen Rivalen davon überzeugen, das große Talent für zwei Jahre zu verleihen. Der Rest ist bekannt. Der defensive Mittelfeldspieler startete unter Trainer Lucien Favre richtig durch und sprang in letzte Sekunde gar auf den WM-Zug auf. Jetzt ist er Weltmeister und begehrt wie nie zuvor. Kein Wunder, dass Bayer-Sportchef Rudi Völler ihn im kommenden Sommer zurück haben will.
Doch in verschiedenen Interviews sorgt Kramer derzeit für Aufsehen, indem er die gängige Praxis anprangert. „Es ist nicht schön, hin- und hergeschoben zu werden“, sagte der 23-Jährige dem „Express“, legte im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ nach: „Ganz generell“ fühle er sich „manchmal wie in einem modernen Menschenhandel“. In „11FREUNDE“ wiederholte er, dass er über seine Zukunft selbst bestimmen wolle: „Ich sehe mich als den Entscheidungsträger. Mir muss der Fußball Spaß machen - sollte das nicht der Fall sein, dann bringt es nichts. Niemand kann mich dann zu einem Schritt zwingen.“
Das klingt, als wolle Kramer auf keinen Fall zurück nach Leverkusen, ist von ihm offenbar aber nicht so krass gemeint. Gleichwohl ließ der Konter nicht lange auf sich warten. Völler empfahl ihm via „Bild“, sich „jetzt wieder mehr auf seine Arbeit und die Spiele mit der Borussia zu konzentrieren“. Daran, dass er 2015 zu Bayer zurückkehre, sei nicht zu rütteln.
Wie Völler hält auch Max Eberl, der die Debatte am liebsten sofort beenden würde, den Menschenhandel-Vergleich für übertrieben. „Menschenhandel ist in diesem Zusammenhang nicht das richtige Wort“, sagte Eberl. Er räumte ein, dass die Situation so ist wie sie ist: „Christoph hat bei uns einen Vertrag bis zum Sommer, und danach einen Anschlussvertrag in Leverkusen. Natürlich weckt die großartige Entwicklung, die er bei uns genommen hat, gewisse Begehrlichkeiten, auch bei anderen Vereinen“, so Eberl. Er will Kramer „ein Mitspracherecht“ zugestehen, allerdings: „Es gibt im Profifußball Verträge, die man nicht außer Acht lassen kann.“
Da Kramer sich bei der Borussia wohlfühlt und gern bleiben würde, strebt Eberl eine einvernehmliche Lösung in dem brisanten Gezerre an. „Wir werden uns im Sommer zusammensetzen, um eine gute Lösung zu finden. Ich wäre kein guter Sportdirektor, wenn ich nicht alles dafür tun würde, dass der Spieler bei uns bleibt, dennoch habe ich vollstes Verständnis dafür, dass Rudi Völler auf die bestehenden Verträge pocht und den Spieler zurückholen möchte“, sagte Eberl.