Blick zurück - und nach vorne Gladbachs Kramer: „Es ist eine ganze miese Stimmung gewesen“
Mönchengladbach · Christoph Kramer blickt im Trainingslager von Borussia Mönchengladbach auf eine schwierige Zeit zurück - und mit Zuversicht nach vorne.
Als Christoph Kramer am 7. Juni dem ZDF beim Länderspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen England in München einmal mehr als Experte zur Verfügung stand, da wurde er von Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein auch nach seinem neuen Trainer Daniel Farke gefragt. „Ich kenne ihn nicht, aber seine Historie kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Seine ganzen Pressekonferenzen und Interviews habe ich mal gegoogelt, da klingt er sehr sympathisch. Das hört sich alles gut und vielversprechend an, ich freue mich sehr auf ihn", hatte Kramer seinerzeit gesagt.
Inzwischen kennt der defensive Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach seinen neuen Trainer persönlich und seine Erwartungen sind bisher nicht enttäuscht worden. „In einem Verein ist der Trainer die wichtigste Person. Er sorgt für die Stimmung und die Stimmung ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Herr Farke überzeugt sowohl menschlich als auch durch seine Ansprache sowie mit seinem Trainingsniveau. Nach knapp zwei Wochen kann ich sagen, dass bei uns etwas Neues und Vernünftiges entsteht. Ich habe das Gefühl, das wird eine gute Saison werden", meint Kramer. Dies möchte der 31-Jährige gar nicht mal an einem Tabellenplatz festmachen. „Wenn wir neunter werden, aber jeder hat sich an unserer Spielweise erfreut, dann haben wir es besser gemacht."
Besser als in der vergangenen Saison, der Kramer im Nachgang ein vernichtendes Urteil ausstellt. „Für eine Mannschaft ist es natürlich kein gutes Zeugnis, wenn ihr Trainer gehen muss. Es war ein ganz schwieriges Jahr, nicht nur wegen des Rücktritts von Max Eberl. Die gesamte Atmosphäre im Verein war schlecht. Dazu herrschte im Stadion Unruhe, die Fans machten mit Plakaten ihrem Unmut Luft und zur Krönung gab es dann auch noch die Heim-Niederlage im Derby gegen Köln. Es ist eine ganz miese Stimmung gewesen. Für das Gemüt war es daher ganz wichtig, jetzt alles auf kompletten Neustart zu setzen. Dafür wurden im Kabinentrakt sogar optisch einige Veränderungen vorgenommen", sagte Kramer.
Borussia Mönchengladbach: Einige Werte weisen auf einen schlechten Fitnesszustand des Kaders hin
Was das für Veränderungen sind, verriet der gebürtige Solinger, der seine ersten Fußball-Schritte von 1996 bis 2000 beim BV Gräfrath erlernte, im Gespräch am Tegernsee nicht. Ebenso wenig will er gegen den geschassten Trainer Adi Hütter nachtreten, allerdings deutet er zwischen den Zeilen ebenso wie es zuvor bereits Matthias Ginter und Lars Stindl getan haben an, dass es zwischen Mannschaft und Hütter große menschliche Disharmonien gegeben haben muss. Probleme, welche die Intensität im Training beeinträchtigt haben könnten. Auffallend ist nämlich, dass Borussia Mönchengladbach gegen Ende eines Spiels konditionelle Defizite offenbarte. Wären alle Partien bereits nach 45 Minuten abgepfiffen worden, hätte die "Fohlenelf" auf Platz drei gestanden. In einer Tabelle der zweiten Halbzeit hingegen wäre sie nur auf Platz 15 gelandet. Hinzu kommt der Fakt, dass sechs Gegentreffer in der Nachspielzeit kassiert wurden. Das sind die meisten aller 18 Bundesligisten.
Den Fitnesszustand des Kaders hatte Sportdirektor Roland Virkus in seiner Saison-Analyse dann auch kritisiert. Schließlich liefen die "Fohlen" pro Spiel nur 112,35 Kilometer, lediglich der VfL Wolfsburg ist noch weniger unterwegs gewesen. Farke muss die Borussen-Profis fitter machen und erhöht in dieser Hinsicht wie am Dienstagvormittag auch mal die Dauer sowie die Intensität einer Einheit.
„Das war heute sehr hart, ich habe den Mittagsschlaf wieder entdeckt und brauche jetzt ein Bett", meinte Kramer mit einem Augenzwinkern. Allerdings fügte der Weltmeister von 2014 hinzu: „Ich mag aber eigentlich harte Einheiten. Wenn es mit Sinn und Verstand gemacht wird, dann darf Training gerne härter sein und das ist sogar wichtig. Fußball bedeutet nämlich, dass man auch mal länger hinterherlaufen muss."
Hinterhergelaufen ist Kramer vergangene Saison auch einem Stammplatz. Weil Hütter für seine Pressing-Philosophie dem zwölfmaligen Nationalspieler nicht vertraute, kam dieser in nur 18 Partien und zudem lediglich mit einer durchschnittlichen Spielzeit von 41 Minuten zum Einsatz. Klar, dass sich Kramer (der 2016 für immerhin 15 Millionen Euro von Bayer 04 Leverkusen geholt wurde) mit dem Ballbesitz-Ansatz von Farke sowie dessen Präferenz einer "Doppel-Sechs" nun wieder mehr Spielanteile ausrechnet. „Das wird eine richtungsweisende Saison für mich. Sollte ich erneut kaum spielen, muss ich mir Gedanken machen." Schließlich endet im Juni 2023 sein Vertrag. Dass Kramer gerne verlängern würde, daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. Gespräche sind bislang vielleicht auch deshalb nicht geführt worden, was für Kramer (noch) kein Problem darstellt.
„Der Verein denkt sich vielleicht, mich hat er sicher. Da macht es Sinn, erst die Spieler zu überzeugen, die mit ihrer Unterschrift zögern. Aber wenn ich das Gefühl habe, es stagniert, dann werde ich oben mal anklopfen", erklärte Kramer in seiner gewohnt lockeren Art. Durch Daniel Farke scheint diese noch lockerer geworden zu sein.