Perfektionist Favre will in der Offensive nachbessern
Der Gladbach-Trainer spricht im WZ-Interview Personalpolitik, Saisonziele und die Fans.
Bad Wörishofen. Dieser Mann ist ein Perfektionist durch und durch. Weil Der Rasenplatz auf der weitläufigen Anlage des FC Bad Wörishofen im Unterallgäu einige Millimeter höher geschnitten war als der Rasen im heimischen Borussia-Park, ließ der Trainer des Fußball-Bundesligisten über Nacht den Platzwart antanzen und das Grün von 29 auf 25 Millimeter stutzen. Im Interview berichtet der Schweizer über die Ziele des Trainingslagers in Südbayern, den Abstiegskampf der abgelaufenen Saison und die Aussichten auf die neue Spielzeit.
Wie ist Ihr erster Eindruck von den Bedingungen in Bad Wörishofen?
Lucien Favre: Ich bin zufrieden. Das Hotel ist gut, der Platz ist gut. Das Wetter wird immer schöner. Alles ist derzeit okay.
Hat die Mannschaft den nervenaufreibenden Abstiegskampf der abgelaufenen Saison bereits verdaut?
Favre: Physisch ja, aber psychologisch noch nicht. Als Spieler brauchst du nach der Pause einige Tage, um wieder reinzukommen. Psychologisch werden die nächsten Wochen ganz anders sein, leichter als in den dreieinhalb Monaten Abstiegskampf. Dort ging es jeden Tag um Leben oder Sterben. Die Stimmung ist gut, die Spieler haben sich darauf gefreut, dass es wieder losgeht. Es wird eine harte Woche hier, wir werdend dreimal am Tag trainieren. Die Spieler sind bereit dafür, die kennen das.
Sie haben sich gegen ein eigenes Lauftrainingslager entschieden. Wieso?
Favre: Wir machen hier eine Mischung. Wir wollen mehr mit dem Ball machen. Das ist besser, die Spieler haben das lieber als immer nur laufen, laufen, laufen. Wir machen eine Mischung aus laufen, Kondition, Ballübungen, Taktik und Athletik. Alles wird nicht zu kurz kommen. Fünf Wochen Vorbereitung sind schnell um.
Sie haben den Spielern keine individuellen Trainingspläne mit in den Urlaub gegeben. War das eine Belohnung für den Klassenerhalt?
Favre: Athletiktrainer Chris Weigl hat den Spielern einen kleinen Plan gegeben. Dazu gehörte nicht laufen, sondern Beachvolleyball, Tennis oder Schwimmen. Mit dem Zustand der Spieler nach dem Urlaub bin ich zufrieden.
Im Abstiegskampf haben Sie taktisch fast ausschließlich auf ein 4-4-2-System mit zwei Sechsern, zwei Außen im Mittelfeld und zwei Stürmern gebaut. Werden Sie in der Vorbereitung auch andere Systeme einstudieren?
Favre: Wir werden häufiger zehn gegen zehn spielen. Dann hat man alles: Taktik, Kondition, Technik, Bewegung. Flexibel zu sein taktisch ist für mich nötig. Manchmal muss man in der Halbzeit wechseln. Das im Training zu erarbeiten ist wichtig. 4-2-3-1 zu spielen, haben wir zwar häufiger trainiert, aber häufig nicht so gespielt.
Sie haben einmal gesagt, 60 bis 70 Prozent einer Saison entscheiden sich im Sommer. Wie zufrieden sind Sie mit der Personalpolitik?
Favre: Um langfristig eine Mannschaft aufzubauen, ist das so. Wir haben zwei junge Spieler aus Karlsruhe verpflichtet, mit ihnen muss man Geduld haben. Bei ihnen ist das Potenzial da, auch wenn Lukas Rupp beim KSC nicht Stammspieler war. Beide sind Junioren-Nationalspieler. Oscar Wendt ist ein gestandener Spieler, ist Nationalspieler in Schweden und gute Spiele in Kopenhagen gezeigt. Er geht viel nach vorne, ist schnell. Ob er die Position von Juan Arango spielen kann, der wegen der Copa America in der Vorbereitung und zu Saisonbeginn wohl fehlen wird, müssen wir noch sehen. Ich habe ihn bisher nur als Linksverteidiger gesehen.
Sind Sie zufrieden mit der Zusammensetzung der Mannschaft oder fordern Sie weitere Verpflichtungen?
Favre: Momentan bin ich zufrieden. Wenn es weitere neue Spieler geben wird, dann im Offensivbereich. Auch, weil die Verpflichtung von Joshua King von Manchester United unklar ist. Da müssen wir abwarten, wie die Adduktoren-OP am Dienstag verläuft.
Mit welchem Ziel gehen Sie in die Saison?
Favre: Über das genaue Ziel möchte ich nicht sprechen. Es wird hoffentlich eine ganz andere Saison als die vergangene. Das war Leben oder Sterben. Das muss nicht noch einmal sein. Wenn man um den Titel spielt und am Ende Dritter oder Vierter wird, ist nicht so schlimm. Aber die Entscheidung 1. oder 2. Liga ist anders. Wobei der Druck, egal wo du in der Tabelle stehst, kommen wird. Die Arbeit wird sich für mich dadurch aber nicht ändern. Wenn ich ein Spiel vorbereite, will ich punkten.
Wird die Euphorie, die durch den Klassenerhalt entstanden ist, förderlich oder hinderlich sein?
Favre: Wir haben das Maximum erreicht, vielleicht sogar mehr. Jetzt haben wir 34 Spiele vor uns in einer bärenstarken Liga, in der jeder jeden schlagen kann.
Bei der Mannschaft gehört es zur Tradition, dass sich neue Teammitglieder mit einem Auftritt beim Mannschaftsabend einfügen. Sie müssen etwas singen oder etwas aufführen. Werden Sie das auch machen?
Favre: Ich selber? Nein, Ich bin Trainer, kein Spieler. Ich freue mich aber auf die Aufführungen.
Interessieren Sie sich für die Frauen-WM?
Favre: Ja, durchaus. Das Niveau im Frauenfußball ist gestiegen, sie haben viele Fortschritte gemacht. Das Tempo ist gestiegen. Ich schaue ein wenig, nicht alles.
Bleibt Filip Daems Kapitän?
Favre: Momentan ja. Wenn er in der Saison spielt, bleibt er auch dort Kapitän. Es gibt vor allem in der Abwehr viel Konkurrenz. Was vor meiner Zeit war, kann ich nicht beurteilen. Aber seitdem ich da bin, hat Filip für mich gut gespielt. Er hat wenig Fehler gemacht. Sollte er nicht spielen, gibt es mehrere Spieler, die in Frage kommen, zum Beispiel Martin Stranzl. Aber der Mannschaftsrat ist noch nicht gebildet.