Borussia Mönchengladbach Stranzls Kampf gegen die Tränen und den „Ungustl“
Gladbachs Kapitän kündet sein Karriereende für den Sommer an. Der 35-Jährige wird aber weiter für den Verein arbeiten.
Mönchengladbach. Zahlreiche Bundesliga-Stürmer werden diesen Tag verflucht haben. Wir schreiben den 8. Dezember 2010. Tatort: Stadion pod Dubnom in der Nordslowakei. Ein Abend, den auch Max Eberl und sein Chefscout Steffen Korell nicht vergessen werden. „Totaler Nebel, das Spiel wurde bereits nach wenigen Minuten vom Schiedsrichter unterbrochen. Wir haben uns gefragt, wo sind wir hier denn gelandet?!“ Nun, in Zilina, wo der heimische Klub MSK in der Europa League Spartak Moskau empfängt. Und bei den russischen Gästen steht ein Mann in der Abwehr, auf den der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach extrem scharf ist: „Diesen alten Mann, den brauchen wir.“
Das Feuerwerk der russische Hooligans war ein schmückendes Beiwerk der unangenehmen Art, doch zu feiern gab es für die Gladbacher Delegation dennoch etwas: Ihnen gelang es, den Österreicher davon zu überzeugen, dass Borussia Mönchengladbach es wert ist, auf Geld zu verzichten und dafür eine spannende sportliche Aufgabe und viel menschliche Wärme zu erhalten. „Und jetzt sitze ich hier und wir blicken zurück auf fünf unfassbar intensive Jahre mit einem Profi, der ein toller Mensch und ein toller Fußballer ist“, sagt Eberl am 8. März 2016 im Presseraum der Borussia.
Der hoch Gelobte tut das, was er seit Januar 2011 für Gladbach macht: Er kämpft. Diesmal allerdings mit seiner Fassung. Der 35-jährige Österreicher gibt das Ende seiner Karriere im Sommer 2016 bekannt. Und das fällt ihm sichtbar schwer. „Eine lange und schöne Zeit geht vorbei. Ich freue mich, auch wenn das nicht so rüber kommt“, sagt Stranzl mit stockender Stimme und den Tränen nah. „Es war keine einfache Entscheidung. Aber mein Körper hat mir Zeichen gesendet, und ich habe sie richtig interpretiert.“
Anderthalb Wochen zuvor rang er sich zu diesem Entschluss durch. Nach zahlreichen Verletzungen seit der vergangenen Saison, inklusive einer Orbitabodenfraktur (Bruch des Augenhöhlenbodens), verstand der Innenverteidiger einen Muskelfaserriss in der Wade beim Warmmachen als finales Stoppzeichen. „Ein Ballast fiel von mir ab“, schildert er. Ein Befreiungsschlag auch für den häuslichen Frieden. „Ich war mit mir selbst unzufrieden und habe das mit nach Hause zu meiner Familie genommen. In Österreich nennen wir so einen kaum zu ertragenden Mensch einen Ungustl.“
Bei Stranzl war diese Erscheinung deshalb so ausgeprägt, weil er ein Mensch ist, der „immer alles 100 prozentig macht“. Jetzt aber kämpft er darum, „noch einmal auf dem Platz zu stehen und mich von den Fans und dem Publikum zu verabschieden“. Dafür trainiert er. Sicherlich auch angetrieben von der Zuneigung, die ihm beim Comeback im Februar gegen Bremen entgegenschlug. „Ich bin ein Stück Geschichte der Borussia geworden, und darauf bin ich stolz“, sagt er. Dieses Buch ist nicht geschlossen, der 35-Jährige will ab dem Sommer ein neues Kapitel aufschlagen. Er bleibt im Dienste der Borussia, in welcher Funktion ist noch ungeklärt.
Zurück nach Österreich zieht’s ihn nicht. „Wir wollen am Niederrhein wohnen bleiben, das ist unsere Heimat.“ Zumal Sohn Elias (9), aktiv beim FC Büderich, „unbedingt Profi-Fußballer werden möchte. Und da sind die Chancen hier wesentlich besser“, schmunzelt Stranzl. Sportdirektor Eberl steht dadurch vor einer großen Aufgabe. „Ich muss für Martin eine gute Beschäftigung finden, denn ich habe die Sorge, dass er meinen Posten will — und das könnte er auch.“