Borussia Mönchengladbach Gladbacher Auswärtsschwäche
Gladbach/Wolfsburg. Daheim hui — und auswärts? Auf jeden Fall kein hui. Nach der Gala (4:0) unter der Woche gegen den VfB Stuttgart im Borussia-Park hat Fußball-Bundesligist Mönchengladbach nunmehr das insgesamt siebte Pflichtspiel in Folge auf fremden Platz nicht gewinnen können.
Die Elf von Trainer André Schubert (44) kassiert beim VfL Wolfsburg eine 1:2-Niederlage und rutscht somit in der Tabelle aus den Champions-League-Rängen runter auf Platz sechs.
Bitter aus Sicht der Fohlen-Fans: In der Autostadt bugsiert sich Borussia binnen zwei Minuten durch haarsträubende Defensiv-Fehler, die Wolfsburg (Draxler, Kruse) im Stile einer Spitzenmannschaft zu nutzen wusste, quasi selber auf die Verliererstraße. Zwei Aussetzer, welche Gladbach, trotz besserer Spielanlage, nicht mehr reparieren kann. Am Ende reicht es nur zum sehenswerten Treffer von Raffael. Aber zu keinen Punkten. Diesen Samstag steht wieder ein Heimspiel auf dem Programm. Es kommt die abstiegsbedrohte Eintracht aus Frankfurt. Ob es dann wieder hui bei Borussia heißt?
Premiere bei der WZ-Online-Analyse: Erstmals ist ein und derselbe Fohlen-Spieler in allen drei Kategorien DER Protagonist. Flügel-Ass Patrick Herrmann. Der 25-Jährige befindet sich nach seinem Kreuzbandriss im Knie wieder auf der Überholspur, nach seinem 32-Sekunden-Joker-Treffer gegen den VfB Stuttgart sorgt Herrmann auch in Wolfsburg für jede Menge (positiven) Gesprächsstoff.
Das ist geschehen: Mitte der zweiten Halbzeit, Spielstand 2:1 Wolfsburg, boxt Wölfe-Schlussmann Koen Casteels im Luftkampf Ball und Herrmann weg. „Strafstoß“, fordern die Fohlen-Spieler inklusive Trainer André Schubert (44) zunächst wütend. Der Unparteiische Siebert lässt jedoch weiterspielen, so dass der Ball zu Gladbachs Thorgan Hazard kommt, doch dessen Schuss landet nicht im leeren Tor, sondern wird vom Fuß des am Boden liegenden Herrmann ins Aus abgelenkt. Statt Abstoß pfeift der der Schiedsrichter jedoch Eckball. Folge: Nun protestieren die Hausherren. Schließlich fragt Siebert Herrmann. Der Gladbach-Profi gibt zu: „Ich habe den Ball berührt.“ Abstoß! Fair Play vom Feinsten. Tosender Applaus. Der Moment des Spiels eben.
Herrmann, vor seiner Verletzung zum Nationalspieler unter Bundestrainer Joachim Löw aufgestiegen, zeigt mit dieser Geste, was für ein toller Sportsmann er ist. Bei Rückstand der eigenen Mannschaft Größe beweisen, dem Schiedsrichter hilfreich und fair zur Seite stehen, trotz aller Emotionen. Solch ein Verhalten eines Profis hat positive Strahlkraft bis in die Amateur- und Jugendligen. Dafür gab es zu Recht auch selbst ein Lob von Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking. Darum ist Herrmann, der wenige Minuten zur erst eingewechselt worden war, auch der Spieler des Spiels.
Kommen wir zum Aufreger des Spiels, also dem Einsteigen von Casteels gegen Herrmann. Im ersten Moment hat nicht nur der Borusse gedacht, dieses Einsteigen hätte einen Strafstoß zur Folge. Auch die Mitspieler, die Borussen-Bank und tausende Fans im Stadion protestierten lautstark. Forderten einen Elfmeter. Doch nach dem Studium der TV-Bilder zeigten am Tag danach, nach dem Auslaufen und der Analyse, die VfL-Profis Verständnis für die Entscheidung des Unparteiischen. So sagt Lars Stindl: „Ich denke, es war doch kein Strafstoß.“
Borussia bleibt durch das 1:2 in der Autostadt seit November 2003, also seit nunmehr elf Spielen, ohne Triumph. Dabei startet die Fohlen-Elf selbstbewusst, spielt munter mit. Geht allerdings — warum auch immer — von Beginn an auch volles Risiko, rückt weit auf, obwohl Wolfsburg zu diesem Zeitpunkt mit Blick auf die Königsklasse der Herausforderer ist und eigentlich gewinnen muss, wenn der Werksklub auch in der kommenden Spielzeit Königsklasse spielen möchte.
Borussias Trainer Schubert lässt seine Elf dennoch mit Dreierkette und sehr aggressivem Vorchecking agieren. Bei eigenem Ballbesitz rücken die Fohlen mit der Defensiv-Kette sogar bis über die Mittelinie hinaus auf. Was Wolfsburg, so sagt es Trainer Dieter Hecking, erwartet und analysiert hatte. Und so auf Fehler lauert, die dem pfeilschnelle VW-Star-Offensiv-Ensemble auch rasch geliefert werden. Gleich zwei haarsträubende bietet Borussia binnen zweiten Minuten, was Wolfsburg eiskalt bestraft. Zunächst verwertet Draxler Blackout eins, vollendet mit Hilfe des Pfostens zum 1:0 für die Hausherren.
Noch schlimmer wird es, als wenige Augenblicke später Elvedi völlig alleingelassen gegen Kruse ins Eins-gegen-Eins muss — und gegen den Nationalspieler keine Chance hat. Der vollendet mit rechts zum 2:0. Borussia beweist Moral, nachdem zunächst Schubert erst einmal die Defensive umbaut. Gladbach wieder stabiler. Und vorne zeigt Raffael seine ganze Klasse im Wolfsburger Strafraum, hämmert aus spitzem Winkel humorlos den Ball oben ins kurze Eck. 1:2, Borussia ist zurück. Ist sogar zeitweise die bessere Mannschaft. Kann jedoch weitere Chancen (Johnson, Raffael) nicht vollenden.
Auch nach der Pause gibt Gladbach den Ton an. Wolfsburg lauert auf weitere gravierende Fehler - die bieten die Fohlen nicht an, können allerdings weitere Chancen (Stindl, Hazard) nicht nutzen. Dann ist Schluss. Wolfsburg jubelt, weil Gladbach den Zwei-Minuten-Blackout nicht mehr reparieren kann.
André Schubert (Borussia Mönchengladbach): Wir haben uns das vom Ergebnis her natürlich anders vorgestellt. An sich sind wir gut in die Partie hereingekommen und haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten. Vielleicht sind wir das Ganze aber einen Ticken zu offensiv angegangen, denn ein Stellungsfehler hat den Wolfsburgern so das erste Tor ermöglicht. Leider haben wir kurz danach direkt den zweiten Gegentreffer kassiert. Wir haben dann ein wenig umgestellt, um wieder mehr Stabilität in die Mannschaft zu bekommen und sind dann mit dem schnellen Anschlusstor auch gut zurückgekommen. In der zweiten Hälfte haben wir den Gegner immer wiederbeschäftigt und ihn hinten reingedrückt, hatten ausreichend Chancen, den Ausgleich zu erzielen. Doch in Sachen Effektivität war uns Wolfsburg heute voraus.
Dieter Hecking (VfL Wolfsburg): Wir haben uns natürlich das Gladbacher Spiel gegen Stuttgart genau angesehen. Unser Ansatz war, die sich bietenden Räume, die durch ihre Dreierkette entstehen, zu nutzen — und das ist in der Anfangsphase mit unseren beiden Toren sehr gut aufgegangen. Eine frühe 2:0-Führung birgt aber immer auch Gefahren, und als die Gladbacher taktisch umgestellt haben, haben wir ein wenig die Ordnung verloren und haben nicht mehr den Zugriff bekommen. Danach hat sich ein rassiges Kampfspiel entwickelt, dass meine Mannschaft sehr gut angenommen hat. Sie hat sich gegen einen bärenstarken Gegner gestemmt und gewehrt, und hat ab der 65. Minute immer wieder für Entlastung gesorgt. Unter dem Strich war es ein etwas glücklicher Sieg, denn Gladbach hat es wirklich sehr gut gemacht.