Ter Stegens weiße Weste bei den Bayern
Gladbachs junger Torhüter hat in der Münchener Allianz-Arena noch nie verloren. Der 21-Jährige wird am Freitagabend sein 75. Bundesligaspiel bestreiten.
Mönchengladbach. Manchmal geht im Leben eines jungen Fußballprofis alles ganz schnell. Als Stammtorhüter Logan Bailly in der Endphase der Saison 2010/2011 wiederholt patzte und der Bundesliga-Abstieg für Borussia Mönchengladbach bedrohlich näher rückte, entschloss sich Cheftrainer Lucien Favre „zum Äußersten“.
Nach der 0:1-Niederlage in München wechselte er sechs Runden vor dem brisanten Finale die Torhüter aus. Bailly raus, Marc-André ter Stegen rein — eine harte, aber goldrichtige Entscheidung. Der damals 19-jährige Keeper startete mit einem furiosen 5:1-Erfolg gegen den ewigen Rivalen 1. FC Köln und schwamm sich im Nu frei.
„Das war ein Supereinstieg für mich, und auch für die Mannschaft war der Sieg wie eine Befreiung“, sagt ter Stegen rückblickend. Und es war der Auftakt zu einem atemberaubenden Finish mit vier Siegen aus sechs Begegnungen. Borussia überstand anschließend auch die Relegation und blieb erstklassig.
Im Leben des jungen ter Stegens ist seitdem viel passiert: In der Bundesliga hat der inzwischen 21-Jährige bereits vier Mal gegen die Bayern gespielt, und in der Münchener Arena ist der junge Keeper gegen die momentan vielleicht beste Mannschaft der Welt sogar noch ungeschlagen (1:0, 1:1).
Dass diese Serie auch am Freitagabend nach dem Saisonauftakt der 51. Bundesligasaison noch Bestand haben wird, darf angesichts der Pokalpleite in Darmstadt und der hohen Qualität des Gegners zumindest angezweifelt werden. „Wir sind natürlich Außenseiter, aber ich bin ruhig und gelassen, und dann schauen wir mal, was passiert“, sagt ter Stegen vor seinem 75. Bundesligaspiel.
Mit seinem Torwarttrainer Uwe Kamps hat ter Stegen, der bereits im Alter von vier Jahren zum VfL Borussia kam, eines gemeinsam. Der langjährige Stammtorhüter (390 Bundesligaeinsätze) und Gladbachs jetzige Nummer 1 haben jeweils ein Mal beim FC Bayern gewonnen. Zwei Siege in 45 Bundesligajahren: Kamps schaffte dies am 14. Oktober 1995 (2:1-Erfolg) im alten Olympiastadion und Marc-André ter Stegen am 7. August 2011, also fast auf den Tag genau vor zwei Jahren.
Das war der Tag, an dem Igor de Camargo von einem Missverständnis zwischen Bayern-Keeper Manuel Neuer und Boateng profitierte und per Kopf das Siegtor erzielte (62. Minute). Und es war das Spiel, in dem endgültig der Stern von Marc-André ter Stegen aufging und Bundestrainer Joachim Löw erstmals richtig Notiz nahm von ihm. Ter Stegen brachte die Münchener ein ums andere Mal schier zur Verzweiflung. „Dieser Sieg war mitentscheidend für den weiteren tollen Saisonverlauf“, sagt Coach Lucien Favre.
Das Ende ist bekannt — Rang vier und die Rückkehr auf die internationale Bühne. Das Los der Torhüter, dass nämlich schon der kleinste Fehler brutal bestraft wird, hat auch ter Stegen in seiner bisherigen Profi-Laufbahn erfahren müssen — weniger im Bundesliga-Alltag als in der Nationalmannschaft, in der er bis dato dreimal zum Zuge kam und zwölf Tore kassierte.
Insbesondere nach dem Patzer gegen die USA in Slapstick-Manier im Mai gab es Hohn und Spott, wäre der vom ehemaligen Gladbach-Trainer Gerd vom Bruch betreute Torhüter am liebsten im Erdboden versunken. „Das sind Erfahrungen, die jeder Torwart in dieser oder jener Form mal durchmacht“, sagt der Berater, „das wird Marc nicht umhauen.“ Sportdirektor Max Eberl bestätigt: „Marc ist in der vergangenen Saison als Persönlichkeit gereift, die Sache wird ihn nicht umwerfen.“
Auf den Bahamas tankte ter Stegen mit seiner Freundin nach dem USA-Trip auf. Nun geht der 21-Jährige in seine dritte richtige Saison in Gladbach, die mit der Pokal-Niederlage in Darmstadt zweifelsohne enttäuschend begonnen hat. „Das stimmt, aber das ist vorbei. Jetzt kommt München“, sagt ter Stegen, „das Gute ist, dass die Erwartungen an uns nicht allzu groß sind und wir da eigentlich nichts zu verlieren haben. Wichtig ist, dass wir als Mannschaft an uns glauben. Und es geht bei 0:0 los.“