„Ansporn“: Boom-Liga ist jetzt auch Weltmeister-Liga
Frankfurt/Main (dpa) - Die Liga des Dauerbooms, der vollen Stadien und der vielen Talente ist jetzt auch noch die Liga der Weltmeister.
„Ja, ich glaube, dass die Bundesliga durch den WM-Titel noch attraktiver geworden ist“, sagte Klaus Allofs, Sportchef des VfL Wolfsburg, der Nachrichtenagentur dpa. Angesichts der schon seit Jahren steigenden Umsätze, des riesigen medialen Interesses und des „außergewöhnlichen fußballerischen Potenzials“ (Jürgen Klopp) ist die Frage, ob ein solcher Schub überhaupt noch möglich ist. Aber Allofs hat keinen Zweifel: „Für alle Beteiligten ist der Titelgewinn bei der WM ein riesiger Ansporn, noch besser zu werden.“
Seine Wolfsburger werden diesen Ansporn gleich zu Beginn gut gebrauchen können, denn sie eröffnen die 52. Saison am 22. August mit dem Spiel beim FC Bayern München. Ob der Titelverteidiger und Topfavorit die Liga auch in diesem Jahr wieder so dominieren wird, ist eine der Fragen, die die Fans am meisten beschäftigt vor dem Start. Die Bayern haben sechs Weltmeister, ihr Superduo „Robbery“ und jetzt auch noch den vormals besten Torjäger ihres größten Rivalen im Team. Die Verpflichtung von Robert Lewandowski hat Borussia Dortmund erheblich geschwächt und den deutschen Rekordmeister auf der anderen Seite noch nicht einmal einen Cent Ablösesumme gekostet.
„Bayern München wird seinen Titel verteidigen. Sie schweben über allen“, sagte BVB-Trainer Klopp selbst in einer Phase, in der sich Dortmunder und Münchener ansonsten öffentlich angifteten wie nie zuvor. Auf der anderen Seite lehrt die Erfahrung: Wenn die Bayern zu packen sind, dann am ehesten in den Jahren nach einer für sie immer besonders schlauchenden WM. 2007 wurde der VfB Stuttgart deutscher Meister, 2011 Borussia Dortmund. Und auch in diesem Sommer haben einige Clubs alles dafür getan, um es dem großen Favoriten zumindest nicht wieder ganz so leicht zu machen wie zuletzt.
„Unser erklärtes Ziel muss lauten: Wenn Bayern mal straucheln sollte, dann müssen wir da sein. Dann darf es keinen anderen Verein geben, der davon profitiert“, sagte Schalkes Manager Horst Heldt der „Süddeutschen Zeitung“. Diese Aussage würde man in Dortmund und Leverkusen unterschreiben. Der BVB investierte rund 45 Millionen Euro in seinen Kader, Bayer 30 Millionen. „Von der Papierform her wird natürlich Bayern München deutscher Meister. Aber im Fußball weiß man ja nie, was passiert...“, meinte Leverkusens Trainer Roger Schmidt.
Und was passiert jenseits des Titelrennens? Dort freut sich die Liga über einige prominente Rückkehrer und einige völlig neue Gesichter. Dietmar Beiersdorfer ist nach fünf Jahren zurück beim Hamburger SV. Als Vorstandsvorsitzender soll er den nach wie vor einzigen Verein, der in allen 51 Bundesliga-Saisons dabei war, wirtschaftlich wie sportlich völlig neu ausrichten. Sein Freund Thomas Schaaf war nur ein Jahr weg aus dem Geschäft. Nach 41 Jahren als Spieler, Jugend- und Chefcoach bei Werder Bremen trainiert er nun Eintracht Frankfurt.
Zu den Rückkehrern zählt auch der 1. FC Köln. Der dreifache deutsche Meister meldet sich deutlich seriöser aber gewohnt enthusiastisch in der Bundesliga zurück. Der zweite Aufsteiger bezeichnet sich dagegen selbst als „krassesten Außenseiter der Ligageschichte“: Der SC Paderborn zählt zum ersten Mal zu den besten 18 Clubs in Deutschland. „Jeder muss verstehen, dass wir nicht nur in der ersten Liga spielen, sondern in der Liga des Weltmeisters, der weltbesten Liga. Das ist ein Privileg“, meinte Trainer André Breitenreiter. Er betonte aber auch: „Wir treten nicht an, um jede Woche Trikots zu tauschen.“
Aber selbst wenn bei der Paderborner Premieren-Saison sportlich nicht viel mehr herauskommen sollte: Finanziell lohnt sich ein Jahr in der Bundesliga immer. Dank der Staffelung des seit 2013 gültigen Fernsehvertrages werden in der kommenden Saison (615 Millionen) noch einmal rund 55 Millionen Euro mehr an TV-Geldern an die 18 Vereine ausgeschüttet als in der abgelaufenen Saison (560 Millionen).
Da die Liga in nahezu allen messbaren Bereichen von Trikot-Verkäufen bis zu Besucherzahlen wächst, sagt Schaaf: „Wir haben seit Jahren einen Boom. Es wird schwer, den zu toppen - trotz WM.“ Höchstens in der Auslands-Vermarktung gibt es gerade im Vergleich zur englischen Premier League noch einen großen Spielraum, auch wenn einige deutsche Clubs in diesem Sommer weit reisten, um sich und die Liga zu präsentieren: Werder Bremen und der Hamburger SV waren in China, Bayer Leverkusen in Südkorea, der FC Bayern in den USA.
Immer größer, immer weiter, immer reicher: An dieser Entwicklung der Bundesliga gibt es allerdings auch Kritik. Helmut Digel, der Sportwissenschaftler und langjährige Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, schrieb in der „Stuttgarter Zeitung“ einen Gastbeitrag über „Die Diktatur des Fußballs“. „Der Fußball ist omnipräsent. Er wirkt wie eine Droge“, heißt es darin. „Für eine gemeinsame Sportkultur hat die Dominanz des Fußballs eine verheerende Wirkung. Fußball steht immer mehr für den gesamten Sport. Er ist der reichste Sport, und er ist längst in der Lage, andere Disziplinen zu alimentieren. Neben dem Fußball wird alles andere zum Randsport.“