Auf- und Absteiger der Trainerbranche
Frankfurt/Main (dpa) - Die Fliehkräfte haben wieder so manchen aus dem Trainerkarussell geschleudert. Zu den wenigen Fußballlehrern im Profigeschäft, die nicht auf einem Schleudersitz arbeiten, gehört Christian Streich beim SC Freiburg.
Ansonsten gab es so manchen Auf- und Absteiger in dieser Saison.
AUFSTEIGER:
Dirk Schuster: War schon „Mann des Jahres“ 2015 für den „Kicker“ und ist vielleicht der Trainer der Saison: Mit dem SV Darmstadt 98, Abstiegskandidat Nummer eins, gelang ihm nach dem Durchmarsch von der 3. in die 1. Liga der Ligaverbleib. Ein Erfolg des Willens - auch für einen Trainer, der sich selbst schonmal beim Marathon quält. Wie kaum ein anderer gibt er Profis eine zweite oder dritte Karrierechance.
Thomas Tuchel: Die Fußstapfen von Jürgen Klopp waren - wie schon in Mainz - nicht zu groß für den Perfektionisten und Asketen: Borussia Dortmund spielt berauschenden Fußball unter dem 42-Jährigen. Selbst das unglückliche Aus gegen den FC Liverpool in der Europa League warf den BVB nicht um. Tuchel machte Pierre-Emerick Aubameyang und Co. zum besten Vize-Meister der Bundesliga-Historie und steht im Pokalfinale.
Julian Nagelsmann: Ex-Nationaltorwart Tim Wiese taufte ihn mal „Baby-Mourinho“. Im Gegensatz zu dem Star-Trainer ist Nagelsmann ein höflicher junger Mann. Mit 28 Jahren (Bundesliga-Rekord) schon Chefcoach, führte er 1899 Hoffenheim aus dem Tabellenkeller, kaum dass er die Fußballlehrer-Lizenz hatte. Was seinem Vorgänger Huub Stevens, der gerade noch so sein Großvater sein könnte, nicht gelang.
Ralph Hasenhüttl: Nach drei Jahren beim FC Ingolstadt verabschiedete sich der Österreicher mit einer bemerkenswerten Spielkultur, dem Klassenverbleib und tränenreichem Wehmut. Sein Wechsel zu RB Leipzig für 1,5 Millionen Euro Ablöse nahmen ihm viele Fans übel. Doch Hasenhüttl („Ich bin nicht der Wunderwuzzi des FC Ingolstadt“) will noch weiter nach oben im Trainergeschäft.
Martin Schmidt: Mit dem Schweizer hat der FSV Mainz 05 nach Jürgen Klopp und Thomas Tuchel wieder ein Trainer-Juwel. Die Teilnahme an der Europa League ist sicher, im „Endspiel“ gegen Hertha BSC will Schmidt die direkte Qualifikation „mit aller Macht“ verteidigen. Sein Teambuilding war nichts für Weicheier: Seine Profis nächtigten in einem Zeltlager auf 2700 Metern Höhe in den verschneiten Alpen.
Pal Dardai: Der Ungar machte was aus Hertha BSC und führte die Berliner auf Europas Bühne, auch wenn ihnen im Saisonendspurt die Luft ausging. Der Rekord-Bundesliga-Profi von Hertha verpasste gegen Borussia Dortmund den Traum vom DFB-Pokal-Finale im Olympiastadion. Er kontert schon mal Journalisten aus: „Wenn Sie eine bessere Idee haben, nehme ich sehr gerne Unterricht bei Ihnen.“
Markus Kauczinski: Vom DFB als „Trainer des Jahres“ geehrt. Leistete beim Karlsruher SC über Jahre hinweg bemerkenswerte Aufbauarbeit, nun kann er sich im Oberhaus bewähren: Der FC Ingolstadt verpflichtete ihn als Hasenhüttl-Nachfolger. Gilt als ehrliche Haut und angenehm geerdet. „Dort wurde die letzten Jahre sehr hart gearbeitet, und der Weg ist noch nicht zu Ende“, verspricht er seinem neuen Club.
Christian Streich: Ein wahrer Aufsteiger. Die Bundesliga freut sich auf die Rückkehr der Kultfigur vom SC Freiburg. „Das Entscheidende bei ihm ist, dass er in jeder Situation authentisch ist“, sagte sein Spieler Mike Frantz über ihn. Streich scheute auch keine klaren Worte in der Flüchtlingsdebatte. Dass er am Spielfeldrand gerne den Irrwisch mimt, daran haben sich die Schiedsrichter gewöhnt.
ABSTEIGER:
Armin Veh: Seine Rückholaktion bei Eintracht Frankfurt ging in die Hose. Veh musst nach sieben sieglosen Spielen gehen und gab unter dem Strich ein ähnlich schwaches Bild ab wie zuvor nach seiner Rückkehr zum VfB Stuttgart. Jetzt sitzt er wieder zuhause in Augsburg - und lässt wissen: „Abstiegskampf brauch' ich auch nimmer.“ Vielmehr müsse es beim nächsten Mal ein Club „mit viel Potenzial sein“.
Alexander Zorniger: Bezeichnete seinen ungestümen Offensivfußball als „alternativlos“, auch wenn es hinten stets schepperte. Selten ist ein Erstliga-Debütant so krachend gescheitert wie der Schwabe beim VfB Stuttgart. Er gibt sich seither in Interviews allerdings etwas geläutert. Er müsse jetzt „am nächsten Tag nicht mehr hinstehen und die Fragen mehr oder weniger intelligent beantworten.“
Stefan Effenberg: Der Ex-Nationalspieler brachte etwas Glamour, aber kein Glanz nach Paderborn. Der sportliche Erfolg blieb schnell aus. Präsident Wilfried Finke feuerte „Effe“ beim Bundesliga-Absteiger mit den Worten: „Es war alles negativ: Penis-Affäre, Führerscheinentzug, fehlender Trainerschein.“ So ist die Bank-Karriere des Enfant terrible wohl wieder zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat.
Thomas Schaaf: Nach seinem ruhmlosen Abgang bei Eintracht Frankfurt ramponierte der brummige Coach bei Hannover 96 weiter seinen Ruf. Ein Sieg, zehn Niederlagen - damit führte er die Niedersachsen zielgerichtet weiter Richtung Abstieg. Zu lange, räumte Präsident Martin Kind später ein, habe man an Schaaf festgehalten. Außerhalb von Bremen hat der einfach keinen Erfolg.
Huub Stevens: Der „Feuerwehrmann“ musste bei 1899 Hoffenheim im Februar aufgeben - wegen Herzrhythmusstörungen. Den VfB Stuttgart hatte er zuvor zweimal vor dem Abstieg gerettet, bei den Kraichgauern kam er in zehn Spielen nur auf einen Sieg und fand nie einen Draht zu seinen Spielern. Das Bedauern bei der TSG wich schnell der Begeisterung über Nachfolger Julian Nagelsmann.
André Breitenreiter: Der 42-Jährige hat sich seinen Karrieresprung vom SC Paderborn zum großen FC Schalke 04 anders vorgestellt. Wie viele seine Vorgänger litt er unter den permanenten Unruhen bei den Königsblauen. Dabei ging auch die Champions-League-Teilnahme flöten. Durfte zuletzt quasi täglich Fragen nach seinem potenziellen Nachfolger Markus Weinzierl beantworten.
Benno Möhlmann: Der Rekord-Zweitliga-Trainer war am Tag, als er beim TSV 1860 München rasiert wurde, zuhause in Bremen und hatte sich einen Rasenmäher für den Garten gekauft. Seine Gelassenheit hatte den notorisch unruhigen „Löwen“ gut getan. Sportlich ging's allerdings dem Abstieg entgegen. „Wenn man über eine Trainerentlassung nachdenkt, ist es sinnvoll, das jetzt zu tun“, sagte der 61-jährige.
Marco Kurz: Der Kurzarbeiter der Branche, der irgendwie einfach keine Dauerlösungen anbieten kann. 2013 heuerte der Ex-Profi bei 1899 Hoffenheim an - und musste nach drei Monaten gehen. Die Saison darauf übernahm er den FC Ingolstadt - für neun Spieltage. In der Winterpause 2015/2016 holte ihn Fortuna Düsseldorf - und beurlaubte den 46-Jährigen nach 81 Tagen.