Bayer eiskalt erwischt von „Iceman“ Sigurdsson
Sinsheim (dpa) - Gylfi Sigurdsson drehte jubelnd ab und klopfte sich triumphierend auf die Brust: Mit heißen Herzen und einem eiskalt verwandelten Elfmeter des Isländers in der 94. Minute vermasselten die Hoffenheimer den Auswärts-Assen von Bayer Leverkusen noch den Sieg.
„Ich sag' nur: Iceman“, meinte 1899-Verteidiger Marvin Compper nach dem 2:2 (1:2) anerkennend. Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler verließ nach dem hochklassigen Bundesliga-Spiel kopfschüttelnd die Rhein-Neckar-Arena: „Wir haben nach dem 2:0 nicht mehr weitergespielt“, ärgerte er sich.
Bayer bleibt zwar auf fremdem Platz in dieser Saison ungeschlagen, doch den Vereinsrekord von 1998/99 mit fünf Auswärtssiegen hintereinander konnte das Team von Trainer Jupp Heynckes nicht einstellen. So gesehen war auch die Generalprobe für das nächste Spiel in der Europa League keine glanzvolle. „Jetzt wollen wir bei Rosenborg Trondheim den Punkt holen, der zum Weiterkommen reicht“, meinte Völler jedoch zuversichtlich.
Bereits elf Punkte hinter Borussia Dortmund und vier Punkte hinter Mainz liegt der Tabellendritte nun, spielte jedoch eine Halbzeit lang meisterlich auf. „Wir haben sensationell losgelegt“, lobte auch Völler. Vor 29 250 Zuschauern flitzte der Ball wie beim Flipper von Leverkusener zu Leverkusener. Und hatte mal endlich ein Hoffenheimer das Spielgerät erobert, war er sofort von zwei, drei Gegenspielern umzingelt.
In der achten Minute ließ Sidney Sam seinen Bewacher Andreas Ibertsberger stehen und zog auf seine unnachahmliche Art mit links ab - der Ball landete im Torwinkel. „Wir haben uns zwei komplette Trainingseinheiten damit beschäftigt und konnten es trotzdem nicht verhindern“, kommentierte 1899-Trainer Ralf Rangnick die Szene. Ein verwandelter Foulelfmeter von Arturo Vidal (10.) versetzte die Hoffenheimer bei Temperaturen um den Gefrierpunkt erst einmal in eine Schockstarre.
Doch die Gastgeber tauten bald wieder auf. Über den Anschlusstreffer in der 38. Minute stritten sich die Experten: Bei einem Freistoß aus spitzem Winkel von Sejad Salihovic flog das Leder an Nationalkeeper René Adler vorbei ins Netz. Ibisevic hatte es möglicherweise noch mit den Haarspitzen gestreift, seine Flugbahn aber nicht verändert. Salihovic zeigte sich nach dem glücklichen Ausgang am Ende gegenüber seinem bosnischen Landsmann großzügig: „Vedo sagte mir, er hat den Ball noch berührt. Ich schenke ihm das Tor.“
Sigurdsson belohnte dann die stürmisch anrennenden Hoffenheimer mit dem ersten Punktgewinn gegen Bayer im fünften Anlauf, nachdem Gonzalo Castro mit einem bösen Tritt gegen Compper den Strafstoß verursacht hatte. „Das ist gut für die Moral im Team“, meinte der coole Isländer, als er in in einem auffälligen T-Shirt aus der Kabine trat: Darauf räkelte sich die nackte Naomi Campbell. Nein, nervös sei er nicht gewesen. „Ich habe schon drei oder viermal kurz vor Schluss einen Elfer geschossen - und immer getroffen“, erklärte der vom FC Reading gekommene 21-Jährige. So auch beim Drittrundensieg des englischen Zweitligisten im FA-Cup vergangene Saison an der Anfield Road gegen den großen FC Liverpool, als er ebenfalls in der 94. Minute zum zwischenzeitlichen 1:1 verwandelte.
„Wir sind für den Aufwand am Ende noch belohnt worden“, freute sich Rangnick. Bayer-Coach Heynckes trug den Verlust von zwei Punkten mit der Gelassenheit eines 65 Jahre alten Trainerroutiniers: „Es gibt solche Spiele, wo man dann in der Endphase noch einen Treffer bekommt. Und es gibt Spiele, und das haben wir in dieser Saison oft genug gehabt, dass wir noch Treffer erzielt und die Spiele gedreht haben.“