Bundesliga-Rückblick: Ein Fluch der Karibik und zwei Traum-Duos
Das A bis Z des Fußball-Halbjahres
A wie Aufsteiger: Vier Jahre Regionalliga, ein Jahr Dritte, drei Jahre Zweite Liga und nun Bundesliga: Die einzigartige Karriere des Profis Andreas Lambertz zwischen 2004 und 2012 bei Fortuna Düsseldorf hat natürlich einen Haken: Es kann nur noch abwärts gehen. Sieht aber derzeit nicht danach aus.
B wie Baustelle: Vom Mäzen-gepäppelten Dorfklub zur größten Baustelle der Liga: 1899 Hoffenheim, mit Europapokal-Ambitionen gestartet, droht der Abstieg. Keine Häme, bitte, aber doch die süße Erkenntnis, dass auch ein solcher, mit viel Geld aus dem Boden gestampfter Verein normalen sportlichen Gesetzen folgt.
C wie Comeback: Torhüter Rene Adler war mal Deutschlands Nr. 1, verletzte sich dann schwer, wurde von Leverkusen nach Hamburg abgeschoben und hat nun mit Glanztaten in Serie für ein noch luxuriöseres Torwart-Luxus-Problem in der Nationalmannschaft gesorgt. Außerdem hat Adler niemals nach einer 4:0-Führung 4:4 gegen Schweden gespielt.
D wie Debüt-Debakel: Das schlimmste Bundesliga-Debüt aller Zeiten erlebte der Nürnberger Marcos Antonio am 29. September im Heimspiel gegen Stuttgart. Bei seiner ersten Ballberührung nach 24 Sekunden spielt er einen fatalen Rückpass zum Torhüter — 0:1 durch Ibisevic. Zehn Minuten später probiert es Antonio gleich noch mal, hat aber Glück, weil VfB-Spieler Holzhauser scheitert. Bereits in der 16. Minute nimmt „Club“-Trainer Dieter Hecking den bedauernswerten Antonio vom Platz. Seither ward der Brasilianer in der Bundesliga nicht mehr gesehen.
E wie Europäische Einigung: Der Erfolg der Münchner ruhte auf vielen Schultern, aber niemand verbreitete konstant derart viel Unruhe in gegnerischen Abwehrreihen wie die deutsch-französische Flügelzange Thomas Müller und Franck Ribéry, die Top-Spieler der Hinrunde.
F wie Fluch der Karibik: Wird für Gladbachs Gegner in loser Folge im Borussia Park, manchmal auch auswärts (Hannover), aufgeführt. Hauptdarsteller ist Juan Arango aus dem Karibikstaat Venezuela, dessen Zauber-Schüsse mit dem linken Fuß knallhart wie Kanonenkugeln oder nach extremer Flugkurve wie von Geisterhand einschlagen.
G wie Glücksboten: Der Hamburger SV beendete seine aus der vergangenen Saison herübergerettete Krise durch die Verpflichtung von Rafael van der Vaart. Der Niederländer brachte den Hanseaten oft sogar dann Glück, wenn er nur verletzt auf der Bank saß. Oder auf der Tribüne. Neben Sylvie.
H wie Hessen-Hoch: Die erstaunlichste Mannschaft der Hinrunde ist Eintracht Frankfurt, die mit schnellem, attraktivem Fußball den besten Saisonstart der Clubgeschichte seit der Einführung der Drei-Punkte-Regelung 1995/96 hinlegte. Könnte auch an Trainer Armin Veh gelegen haben.
I wie International: Triumphal (Dortmund), etwas überraschend (Schalke, Gladbach), erwartungsgemäß (Bayern, Hannover, Leverkusen) und mit Ach und Krach (Stuttgart) hat die Bundesliga die Gruppenphase in Champions und Europa League überstanden. Sieben Vereine überwintern international, das hat’s noch nie gegeben. Das wird ein schöner Europacup-Frühling.
J wie Jubel-Paragraf: Der zu Saisonbeginn überragende Ungar Szablocs Huszti (Hannover) erzielte in der Nachspielzeit gegen Bremen spektakulär per Fallrückzieher den 3:2-Siegtreffer — und flog vom Platz. Gelb fürs Trikotausziehen, gleich noch mal Gelb fürs Auf-den-Zaun-Klettern. Dieser Unsinn entspringt nicht der deutschen Regelungswut, sondern den Vorgaben des Weltverbands Fifa.
K wie Katz-und-Maus-Spiel: Für einige Fans ist jedes Wochenende Silvester. Das kindische und nicht ungefährliche Feuerwerkeln wird schon deshalb weitergehen, weil das Verstecken, Schmuggeln und erfolgreiche Abbrennen der Raketen so ein herrliches Katz-und-Maus-Spiel mit Polizei und Ordnern ist. Das soll „Fankultur“ sein? Leute, werdet mal erwachsen.
L wie Langeweile: Wird Vizekusen über seinen eigenen Schatten springen? Geschieht noch ein schwarz-gelbes Wunder? Eher nicht. Der FC Bayern München wird — Gratulation schon mal — Meister (gähn).
M wie Mode: Der Schnauzbart ist zurück, und das zu einem guten Zweck. Angeblich ließen sich Profis wie Barnetta, Marica (beide Schalke) und Diego (Wolfsburg) den wahlweise „Pornobalken“ oder „Gesichtshecke“ verunglimpften Männerschmuck aus Solidarität mit der „Movember“-Bewegung wachsen, die auf den Prostatakrebs aufmerksam macht und Spendengelder sammelt (siehe http://de.movember.com/). Was es nicht alles gibt.
N wie Nationalstürmer: Klose, Gomez — und dann? Wie wär’s mit dem Leverkusener Stefan Kießling, dem mit zwölf Treffern bestem Torjäger der Hinrunde?
O wie Original: Christian Streich, das alemannische Rumpelstilzchen der Liga, hat den SC Freiburg in der vergangenen Saison gerettet und nun auf Platz fünf geführt. Wie gebärdet der sich erst, wenn es mal abwärts geht?
P wie Papier: Das Sicherheitspapier heißt Sicherheitspapier, weil es mit Sicherheit nicht das letzte Papier zum Thema Sicherheit ist. Oder so ähnlich.
Q wie Quälix: Es besteht Hoffnung, dass wir diese etwas abgenutzte Charakterisierung des Trainers Felix Magath hier vorerst ein letztes Mal in Anspruch nehmen. Zu lädiert ist sein Ruf nach dem Rauswurf beim VfL Wolfsburg. Wir bezweifeln allerdings, dass Magath tatsächlich bei einem Waldlauf die Trinkwasser-Rationen für seine Wolfsburger Spieler rationiert haben soll. Warum? Er kippte angeblich nur drei Viertel des Wassers aus.
R wie Rätsel: Warum wird aus dem Bayern-Verfolger Schalke 04 binnen sechs Spieltagen mit nur zwei gewonnenen Punkten eine graue Mittelfeld-Maus? Das weiß eigentlich keiner. Auf Trainer Huub Stevens folgt nun Junioren-Coach Jens Keller. Aber wenn’s der Trainer gar nicht war?
S wie Schweigegelübde: Die Fans können auch das — schweigen. Zwölf Minuten und zwölf Sekunden lang. Eine eindrucksvolle Aktion in allen Stadien. Weil es danach wieder so schön laut wurde. Und nur manchmal qualmte.
T wie Traumduo: Trotz der 17-Millionen-Verpflichtung des Ex-Gladbachers Reus hat Dortmund „nur“ eine gute, keine exzellente Hinrunde gespielt, mit vier Punkten weniger als im vergangenen Meisterjahr. Dennoch gibt es nichts Vielversprechenderes in Deutschland als das Duo Mario Götze/Marco Reus.
U wie Untreue: Die 13 Jahre währende Fußball-Ehe von Thomas Schaaf und Klaus Allofs ist geschieden. Allofs verließ Bremen und wechselte als Sportdirektor ins bekannt sexy Wolfsburg. Und jetzt kommt auch noch Dieter Hecking.
V wie Vorbild: Fürths Trainer Mike Büskens reicht bei Heimspielen jedem Team-Mitglied der Gästemannschaft die Hand. Ein feiner Zug. Die Geste haben seine Spieler aber vielleicht missverstanden: Kein Sieg und nur vier erzielte Treffer in neun Heimspielen sind dann doch ein bisschen sehr fair.
W wie Wahrnehmungsfehler: Schiedsrichter Wolfgang Stark räumte seinen Fehler ein, nachdem er den Dortmunder Marcel Schmelzer nach vermeintlichem Handspiel vom Platz gestellt und einen Elfmeter für Wolfsburg gepfiffen hatte. Eine Tugend, die man gelegentlich auch Spielern, Trainern und Vorständen wünschen würde. Dumm nur, dass gleich vier von fünf erzielten Treffern bei dem von Dortmund 2:3 verlorenen Spiel irregulär waren. Das waren vielleicht doch ein paar Wahrnehmungsfehler zuviel.
X wie Xhaka, Granit: Schwerer Start für das Schweizer Talent, das für mehr als acht Millionen Euro vom FC Basel nach Gladbach gewechselt war und sich nun in Bescheidenheit üben muss. Nicht zwingend ein Kandidat für diesen Rückblick, aber sonst gibt es ja keinen Spieler, dessen Nachname mit X beginnt.
Y wie (keine Ahnung): Der Ivorer Didier Ya Konan (Hannover, bisher nicht sehr auffällig) und der US-Amerikaner David Yelldell (Leverkusen, bisher gar nicht auffällig, weil ohne Einsatz) sind auch nur Y-Notnägel.
Z wie Zauberkunst: Nichts gegen den deutschen Fußball, nichts gegen Arangos linken Fuß, aber das alles überragende Tor fiel in London am 14. November. Zlatan Ibrahimovic, der verrückte Schwede, trifft gegen England mit einem fantastischen Fallrückzieher aus 25 Metern.