Allofs-Schachzug - Hecking sticht Schuster aus
Wolfsburg (dpa) - Dieter Hecking statt Bernd Schuster - mit einem raffinierten Schachzug hat Klaus Allofs die erste Trainersuche in seiner langjährigen Manager-Karriere beendet.
Der Geschäftsführer des VfL Wolfsburg holte den bisherigen Nürnberger Trainer Hecking aus dessen bis 2014 laufenden Vertrag zum finanzstarken VW-Club nach Niedersachsen. Eine Ausstiegsklausel, von der Allofs wusste, machte den Wechsel mitten in der Saison möglich.
Der 48 Jahre alte Hecking soll mittelfristig für Ruhe, Kontinuität und sportlichen Erfolg beim deutschen Meister von 2009 sorgen. Der mehrere Tage als Top-Favorit gehandelte Schuster muss dagegen weiterhin auf seinen ersten Bundesliga-Job warten. „Hecking erhält einen Vertrag bis 2016“, bestätigte Allofs die am Samstag erfolgte Einigung, die den 1. FC Nürnberg völlig unerwartet in eine Trainersuche über Weihnachten stürzt.
„Sicherlich spielen auch die wirtschaftliche und familiäre Situation eine Rolle“, erläuterte Hecking in der „Bild am Sonntag“ die Gründe für seinen überraschenden Wechsel. Die Familie des früheren Bundesliga-Profis wohnt in Bad Nenndorf bei Hannover, rund 110 Kilometer von Wolfsburg entfernt. „Klaus Allofs hat mir die sportliche Perspektive in Wolfsburg aufgezeigt und er war sehr überzeugend“, ergänzte Hecking. Es falle ihm aber schwer, Nürnberg zu verlassen.
Entscheidend sei für ihn gewesen, „dass Allofs mich unbedingt will! Wegen der sportlichen Perspektive“, sagte Hecking in einem Interview dem „Express“ (Montag-Ausgabe) und betonte: „Ich bin keine "1b-Lösung"“
Hecking, der auf Cheftrainer Felix Magath und den bei vielen VfL-Fans sehr beliebten Interimscoach Lorenz-Günther Köstner folgt, kann sein neues Team erstmals am 3. Januar begrüßen. Dann beginnt für den VfL Wolfsburg die Vorbereitung auf die Rückrunde mit einem Trainingslager in Belek. Bis dahin will Allofs den neuen Trainer offiziell vorstellen und weitere Details nennen. „Wir wollten ihn aber nicht vor den Weihnachtstagen präsentieren“, sagte der VfL-Manager.
Für Hecking ist es bereits der zweite Wechsel aus einem laufenden Vertrag zu einem anderen Club. Im September 2006 hatte er nach drei Bundesliga-Spieltagen den Aufsteiger Alemannia Aachen, den er zuvor in die höchste Liga geführt hatte, verlassen und ein Angebot von Hannover 96 angenommen. In Wolfsburg findet Hecking nun finanzielle Verhältnisse vor, die er bei seinen Engagements in Aachen, Hannover und Nürnberg nicht kannte. Dennoch leistete er stets gute Arbeit, was ihn für größere Vereine interessant machte.
Sehr zum Leidwesen des 1. FC Nürnberg, der in der Hinrunde mit Hecking pikanterweise einen Punkt mehr holte als der VfL Wolfsburg. „Ich bin enttäuscht, dass wir das, was wir angefangen hatten, nicht weitermachen“, kommentierte Sportverstand Martin Bader den Weggang Heckings. Der war seit seinem Amtsantritt am 22. Dezember 2009 zum Frankenversteher aufgestiegen. Vorwürfe gab es zwar nicht. „Wir werden nichts Schlechtes über ihn sagen“, stellte Bader fest. Dennoch bleibt ein Geschmäckle: „Ich kann keine Beweggründe nachvollziehen, wenn man vom 1. FC Nürnberg weggeht.“
Die Ablösesumme für ihren bisherigen Trainer ist für die Franken ein schwacher Trost. Sie müssen nach dem unerwarteten Schock möglichst rasch einen Nachfolger für Hecking finden. Auch der Club hat am 3. Januar Trainingsauftakt nach der Winterpause. „Natürlich wollen wir mit einem neuen Trainer in die Vorbereitung gehen“, versicherte Bader.
Im Gespräch ist Ex-Profi Michael Wiesinger, der als Coach der zweiten Mannschaft bestens mit dem gesamten Umfeld vertraut ist. „Ich würde mir die Rolle als Nachfolger von Hecking zutrauen“, sagte der 39-Jährige im TV-Sender Sky Sport News. „Ich kenne den Club in- und auswendig.“
Nicht zum Kandidatenkreis dürfte der frühere Nationalspieler Bernd Schuster zählen. Er galt als Top-Favorit beim VfL Wolfsburg, nachdem Allofs am vergangenen Donnerstag öffentlich Gespräche mit dem früheren Meistertrainer von Real Madrid bestätigt hatte. Zugleich berichtete der frühere Werder-Manager auch von „anderen Anwärtern“, was aber im Rummel um den ehemaligen Weltklassespieler unterging. „Wir haben das Thema Schuster nie befeuert“, teilte dazu ein VfL-Sprecher mit.
Der Wahl-Spanier Schuster erfuhr ausgerechnet an seinem 53. Geburtstag am Samstag, dass auch sein dritter Anlauf auf den Trainerposten in Wolfsburg nach 2005 und 2009 endgültig gescheitert war. Die Verhandlungen mit Allofs waren zuvor ins Stocken geraten, angeblich wegen neuer Bedingungen des gebürtigen Augsburgers. Zudem hatten sich große Teile der Wolfsburger Fans gegen eine Verpflichtung des Bundesliga-Neulings Schuster ausgesprochen.