Chaostage auf Schalke: Rehhagel soll Magath folgen
Gelsenkirchen (dpa) - Die Szenerie hatte skurrile Züge: Die Spieler drehten auf dem Rasen jubelnd Ehrenrunden, Trainer Felix Magath flüchtete in die Katakomben und gab sich trotz der Meldungen über seine bevorstehende Entlassung beim FC Schalke 04 weiter ahnungslos.
„Da bin ich der falsche Ansprechpartner“, sagte Magath nach dem 3:1 gegen den FC Valencia und dem Einzug in das Viertelfinale der Champions League. „Ich habe nicht erfahren, dass ich kein Trainer mehr sein soll. Ich habe Vertrag bis 2013. Ich mache hier meine Arbeit und werde sie auch weiter tun“, betonte der 57-Jährige nach dem „langen Arbeitstag“ und „hochdramatischen Spiel“.
Dabei war die Entscheidung, sich spätestens zum Saisonende von Magath zu trennen, längst gefallen. Dass der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies vor der Partie, die Schalke durch Tore von Jefferson Farfan (40./90.+4) und Mario Gavranovic (52.) für sich entschied, noch auf die „nächsten Tage“ verwies, hat offenbar nur formale Gründe. Am Donnerstagabend teilte Schalke auf seiner Homepage jedoch mit, dass Tönnies „für das Wochenende“ Magath „zu einem intensiven Gespräch eingeladen“ habe.
„Ich habe in den letzten Tagen immer gesagt, dass das Spiel gegen Valencia absolute Priorität hat. Jetzt, nach unserem tollen Sieg, können wir uns wieder anderen Dingen zuwenden, die in letzter Zeit aufgelaufen sind. Ich bin nicht sein Kontrahent, sondern sein Kontrolleur. Deshalb lade ich Felix Magath zu einem klärenden Gespräch unter Männern ein“, wird Tönnies zitiert.
Laut „Kicker“ will der Club Magath gar sofort loswerden und nicht bis zum Sommer warten. „Wir müssen die Reißleine ziehen. Völlig unabhängig von der Champions League. Im ganzen Verein brennt es lichterloh“, hatte Tönnies dem Fachmagazin gesagt.
Damit beseitigte er auch die letzten Zweifel an der Zwangsdemission von Magath, der beim Vormittagstraining fehlte, jedoch als Cheftrainer für die Pressekonferenz am Freitag vor der Bundesliga-Partie gegen Eintracht Frankfurt angekündigt wurde.
Laut Medienberichten soll Griechenlands Ex-Coach und Tönnies-Freund Otto Rehhagel als Interimstrainer schon in der kommenden Woche das Team als „Feuerwehrmann“ übernehmen und vor dem drohenden Abstiegskampf in der Bundesliga bewahren. Vom Sommer an gilt weiterhin Freiburgs Coach Robin Dutt als Favorit, der aber bereits bei Bayer Leverkusen als möglicher Nachfolger von Jupp Heynckes im Wort stehen soll. Dazu sagte der bis 2012 vertraglich an den SC gebundene Dutt: „Bisher waren alle Spekulationen falsch.“
Wie geht es weiter? Laut Schalke-Satzung kann der Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied mit einem Zweidrittelbeschluss abberufen. Allerdings müsste Magath vor einer Entlassung mit einer Frist von drei Tagen schriftlich zu einer Anhörung geladen werden. Am kommenden Montag steht die turnusmäßige Aufsichtsratssitzung an. Magath müsste spätestens an diesem Freitag eine Einladung erhalten, die einen entsprechenden Tagesordnungspunkt enthält. „Etwas Derartiges habe ich nicht gelesen“, beteuerte er. Angeblich setzen die Verantwortlichen darauf, dass Magath sein Recht auf Aussprache wie einst seine Vorgänger Rudi Assauer und Andreas Mülller nicht wahrnimmt. Sie ließen sich beurlauben, ohne sich dem „Tribunal“ zu stellen.
Tönnies, der 2009 für die Verpflichtung von Magath gefeiert wurde, spricht nun von einem „verlorenen Jahr“. Dem Alleinherrscher und in der Vorsaison mit Vizemeisterschaft und Champions-League-Qualifikation als „Magier“ verehrten Magath wird intern ein „unmenschlicher Umgang“ mit Angestellten vorgeworfen. Von „sozialer Inkompetenz“ ist die Rede.
„Schalke stand immer für leidenschaftliches Miteinander. Alles andere ist in Zeiten, wo der Teamgeist und das Wir-Gefühl im Fußball in den Vordergrund treten, nicht hinnehmbar“, argumentiert Tönnies. Dazu kommen die umstrittene Personalpolitik, ein teurer Kader ohne Struktur und das schwierige Verhältnis zu den Fans, von denen viele aber auch sowohl bei „Facebook“ als auch während des Spiels ihre Sympathie für Magath bekundeten.
Derweil sollen auch viele Profis vom Trainer abgerückt sein, hielten sich mit Bewertungen der neuerlichen Chaostage „auf Schalke“ oder Aussagen über Magath aber zurück. „Keine Ahnung, ob es stimmt. Aber der Zeitpunkt ist nicht ganz glücklich gewählt“, sagte Benedikt Höwedes. Christoph Metzelder mochte nicht im „Nebel herumstochern“ und merkte an: „Das sind Entscheidungen, mit denen wir nichts zu tun haben. Ich gebe aber zu bedenken, dass wir mitten in der Saison stecken.“ Kapitän Manuel Neuer betonte, das Team habe sich von „diesen Nebensächlichkeiten“ nicht beeinflussen lassen, sei „als Einheit“ aufgetreten: „Wir haben eine gute Antwort gegeben.“
Der oft kühl und distanziert wirkende Magath wusste, auf welch heikle Mission er sich beim emotionalsten deutschen Fußball-Club einließ. „Der Verein war schon in der Vergangenheit immer recht turbulent. Mir war klar, dass hier unruhiges Arbeiten sein wird. Aber man sieht auch an so einem Abend, dass auch unruhiges Arbeiten Spaß macht“, sagte er.
Eine Trennung von Magath und dessen ebenfalls bis 2013 gebundenen üppigen Trainerstab, der insgesamt rund zehn Millionen Euro jährlich kosten soll, würde einen großen Teil der eingenommenen Champions-League-Millionen verschlingen. Immerhin machen die Einnahmen allein in diesem Wettbewerb summa summarum bereits rund 35 Millionen aus.