Dardai streichelt „Künstler“ Kalou
Berlin (dpa) - Für den Tag nach dem kleinen „Befreiungsschlag“ verordnete der glückliche Pal Dardai auch seinem „Künstler“ Salomon Kalou einen freien Tag. Einfach mal abschalten, in Berlin das bisher seltene Hochgefühl genießen.
Der Trainer von Hertha BSC und sein Stürmerstar hatten beim hart erkämpften 1:0 gegen den FC Augsburg am 23. Spieltag der Fußball-Bundesliga alles richtig gemacht. „Von mir aus kann er nur drei Ballkontakte haben. Er muss knipsen“, sagte der Ungar Dardai über den Ivorer Kalou: „So ein Mann braucht Vertrauen.“
Dieses Vertrauen hatte der frühere Chelsea-Star Kalou, im Sommer überraschend für knapp zwei Millionen Euro vom OSC Lille zu Hertha gelockt, unter Dardais Vorgänger Jos Luhukay nicht mehr gespürt und sogar öffentlich mehr Respekt eingeklagt. Das Verhältnis zwischen dem einstigen Fußball-Kämpfer Dardai und Kalou, dem Stürmer mit der feinen Klinge, ist von Beginn an geprägt von Achtung. So bekam Kalou wieder eine Startplatz neben dem besten Berliner Saison-Torschützen Julian Schieber, der gegen Augsburg wegen einer Knieblessur fehlte.
Kalou durfte nach dem Triumph mit der Elfenbeinküste beim Afrika Cup zu Jahresbeginn selbst entscheiden, wann er bei Hertha wieder in Training und Wettkampf einsteigt. „Der Trainer hat einen neuen Spirit entfacht. Wir kämpfen füreinander - und es macht Spaß“, sagte Kalou. Sein sechster Saisontreffer zwei Minuten vor dem Ende verwandelte eine „typisches 0:0-Spiel“ (Augsburgs-Trainer Markus Weinzierl) doch noch in den von Hertha so ersehnten ersten Heimsieg 2015.
Mit dem ersten Tor im Olympiastadion nach langen 407 Minuten, dem ersten Heimsieg unter Dardai und jetzt 24 Punkten hat der Hauptstadtclub erst einmal wieder die Abstiegszone verlassen. Der 29-jährige Matchwinner genoss mit der Fahne der Elfenbeinküste in der Hand den Jubel der Hertha-Fans. Auch im Team des Afrika-Champions hatte Kalou seinen Stammplatz verloren, im Finale gegen Ghana war er als erfolgreicher Elfmeterschütze aber am Triumph beteiligt. „Er ist dafür da, im richtigen Moment zuzuschlagen“, beschrieb Hertha-Manager Michael Preetz die Rolle des ehemaligen Champions-League-Siegers.
Gegen den spielerisch dominanten FC Augsburg wirkte der Torschütze lange nicht überzeugend. Zu allererst sollte Hertha die eigene Verunsicherung mit einer kompakten Defensive bekämpfen. Das gelang durchaus mit mehr Struktur und mehr Aggressivität als zuletzt, als es im eigenen Stadion 0:5, 0:1 und 0:2 hieß. Zwar hatten die Gäste vor 36 015 Fans deutlich mehr Ballbesitz (59 Prozent) und mehr Torschüsse (elf), doch Hertha gewann 52 Prozent der Zweikämpfe. „Unser Ziel war es nicht, das Spiel zu kontrollieren, sondern das Spiel zu gewinnen“, unterstrich Dardai.
Der „Künstler“ Kalou, wie Dardai seinen Stürmer bezeichnete, wirkte lange unpassend in dem System von Kämpfen und Rennen. Doch der Coach ließ ihn auf dem Platz, wechselte Marcel Ndjeng und Jens Hegeler ein. Beide bereiteten das Siegtor vor. „Es ist auch wichtig für die Mannschaft, irgendwie einen reinzuballern“, sagte Dardai: „Da bin ich sehr zufrieden. Das war ein bisschen wie ein Befreiungsschlag.“
Schon am Freitag beim Tabellen-Schlusslicht VfB Stuttgart haben Kalou und Dardai die Chance, weiter der Abstiegszone zu entrücken. Allerdings fehlen dann Per Skjelbred und Peter Niemeyer (gesperrt) sowie wohl auch Peter Pekarik, der sich einen Nasenbeinbruch zuzog. Mit dem 1:0 gegen den Europapokal-Anwärter Augsburg lieferte Hertha selbst das Beispiel für schwierige Situationen: „So kann man sich reinbeißen“, erklärte Kalou-Fan Dardai.