Das A bis Z der Bundesliga - Von Shampoo und Veilchen
Gladbach liefert die sportliche Überraschung der Liga, die auch abseits des Rasens kuriose Geschichten schreibt. Das A bis Z der Bundesliga.
A wie Abbruchunternehmen: Präsident und Vorstand weg, Sportdirektor weg, Trainer weg, Superstar weg. Zwischendurch gab’s feucht-fröhliche Ausflüge — Miso Brecko mit Auto ins Gleisbett, Slawomir Peszko allein in die Ausnüchterungszelle — und am Ende den hart erkämpften Abstieg. Der 1. FC Köln zog sein Ding wirklich konsequent durch. Immerhin: Der Dom steht noch.
B wie Ballack, Michael: Der mehrfache deutsche Meister und ehemalige Kapitän der Nationalmannschaft verlässt die Bundesliga. Die letzten zwei Jahre in Leverkusen waren, sagen wir, durchwachsen. Seine stärkste WM spielte er 2002, das ist zehn Jahre her. Nun ist es gut. Ciao, Capitano.
C wie Comeback: Man rieb sich die Augen, als Otto Rehhagel bei der Hertha plötzlich auf der Trainerbank saß. Die Berliner „Alte Dame“ feierte den 73-Jährigen, nachdem sie zuerst mit Markus Babbel den Erfolg vom Hof gejagt und dann mit Michael Skibbe eine kurze Affäre des Misserfolgs hatte. Auch unter der Regentschaft von König Otto dem Fünfvorzwölften war die Hertha: schlecht. Hatte aber das unfassbare Glück, dass Kaiserslautern und Köln noch schlechter waren. Also Relegation gegen Düsseldorf.
D wie Dutt, Robin: Der Trainer war mit der Bürde der Heynckes-Nachfolge in Leverkusen überfordert. Und mit Michael Ballack natürlich.
E wie Europa: In der Politik extrem unbeliebt, im Fußball ein Sehnsuchtsort. Fragen Sie mal in München nach. Oder in Gladbach.
F wie Favre, Lucien: Küsste Borussia Mönchengladbach wach. Denkt von Spiel zu Spiel, da ist nichts zu machen. Deswegen fällt ihm ein Satz wie „Ich erfülle meinen Vertrag“ gar nicht erst ein. 2013 ist einfach zu lange hin.
G wie Glücksgriff: Als Trainer Christian Streich den Tabellenletzten SC Freiburg übernahm, ging es aufwärts. Das Geheimnis des Klassenerhalts ist allerdings nicht, dass er an der Seitenlinie herumhüpft wie zuletzt Rumpelstilzchen und auch sonst irgendwie „unkonventionell“ ist, sondern dass Streich mit vielen Spielern zusammenarbeitet, die er aus der Nachwuchsarbeit kennt.
H wie Hüppelbüpp: „Wir haben nicht gegen den FC Hüppelbüpp gespielt“, erklärte Schalkes bekannt lustiger Trainer Huub Stevens nach dem 1:1 gegen Mainz. Zumal es den Verein mit dem wohlklingenden Namen natürlich gar nicht gibt. Aber unbedingt geben sollte.
I wie Irrsinn: 2:0 für Dortmund bis zur 71. Minute, danach folgt die irrste Schlussphase eines Spiels in dieser Saison: Die Gäste aus Stuttgart erzielen in neun Minuten drei Tore — 2:3. Der BVB dreht das Spiel innerhalb von acht Minuten erneut — 4:3. Gentner trifft in der Nachspielzeit — 4:4. Fußball-Wahnsinn vom Feinsten.
J wie Jos-Mania: Bei dem erstaunlichen Nicht-Absteiger FC Augsburg feiern alle Fans Trainer Jos Luhukay. Aber der verlässt den Verein offenbar im Streit mit dem Vorstand. So kann man sich die Party selbst versauen.
K wie Klopp, Jürgen: Nach dem zweiten Titel mit Dortmund strahlender Meistertrainer — aber auf europäischer Bühne bisher nur ein Meisterschüler. Kommt sicher noch.
L wie Lolek und Bolek: Zwei Löwenbabys aus dem Dortmunder Zoo, benannt nach einer beliebten polnischen Trickserie. Die Paten sind Robert Lewandowski und Lukasz Piszczek. Mit Jakub Blaszczykowski, der Einfachheit halber „Kuba“ genannt, bilden sie eine ungemein starke Polen-Fraktion beim BVB. Lewandowskis Hacken-Tor gegen Bayern ist jetzt schon Legende. Soviel Lolek und Bolek war nie in der Bundesliga.
M wie Miete: Auch Fußballprofis haben Alltagssorgen. In Augsburg erzählt man sich folgende hübsche Anekdote: Ein Makler habe Stürmer Sascha Mölders bei einer Wohnungsbesichtigung über die Mietkosten informiert, „1500 Euro kalt und 2000 warm“. Daraufhin soll Mölders geantwortet haben: „Dann nehm’ ich die warm, wird ja bald Winter.“
N wie NRW-Liga: Der Westen, von Köln mal abgesehen, kommt ganz groß raus in der Bundesliga. Vier Vereine unter den Top fünf sind aus NRW.
O wie Oranje-Power: Hauptrollen spielten Retter-Trainer Jos Luhukay, Torschützenkönig Klaas-Jan Huntelaar und natürlich der leichtfüßige Ego-Shooter Arjen Robben. Beim Meisterschafts-entscheidenden 0:1 in Dortmund verschoss er in der Schlussphase einen Elfmeter, aber beim Champions-League-Rückspiel in Madrid ebnete er per Strafstoß zum 1:2 den Weg ins Finale. Ob er in die Geschichte dieser Saison als Held oder Versager eingeht, ist noch offen.
P wie Plage: Gewaltbereite „Fans“ haben für neue „Höhepunkte“ gesorgt: Die lebensbedrohliche Attacke auf einen mit Gladbacher Anhängern besetzten Bus auf der Autobahn. Der tätliche Angriff auf den Leverkusener Spieler Michel Kadlec vor einer Disco. Beängstigend.
Q wie Qualitätsverlust: Was wird aus Gladbach ohne Reus, Dante und Neustädter? Der Erfolg scheffelt Millionen in die Vereinskassen und kann dennoch teuer werden.
R wie Raúl: Zwei Jahre gastierte der sympathische Spanier in der Bundesliga. Eine Legende der „Königlichen“ von Real Madrid, der bei Schalke und seinen Fans unvergessen bleiben wird. Und etwas Glanz ins Ruhrgebiet brachte. Was wohl, nebenbei bemerkt, ohne den sympathischen Energie-Multi Gazprom aus Russland nicht möglich gewesen wäre.
S wie Shampoo-Streit: Yacine Abdessaki wurde übel mitgespielt. Offenbar weil der SC Freiburg den französisch-marokkanischen Mittelfeldspieler los werden wollte, machte man ihn für eine Hotel-Rechnung über vier Shampoo-Flaschen verantwortlich und kündigte ihm fristlos. Abdessaki stand als Dieb da, zog vors Arbeitsgericht, wo der Verein kleinlaut alle Anschuldigungen zurückzog. Das hässlichste Foul in dieser Saison.
T wie Tierlieb: Der Bremer Stürmer Marko Arnautovic spielte mit seinem Hund im Garten, stolperte und fiel wochenlang wegen einer Knieverletzung aus. Ärgerlich für Werder, da wollte der Österreicher alle Verdächtigen in Sicherheit bringen. „Der Hund kann nix dafür“, sagte er.
U wie Unabsteigbar: Der Hamburger SV ist als einziger Verein seit Gründung der Bundesliga 1963 erstklassig. Aber er arbeitet hart daran, dass er ein Klub wie jeder andere wird. Mit Zweitliga-Erfahrung. Vielleicht klappt’s ja nächstes Jahr.
V wie Veilchen: Franck Ribéry gibt Arjen Robben in der Kabine eins aufs Auge. Weil der ewige Vordrängler — Spitzname im Team: Alleinikow — während des Hinspiels gegen Real Madrid unbedingt einen Freistoß schießen wollte. Trotz des zweifellos fantastischen Teamgeists steht der FC Bayern im Finale der Champions League. In München. Ein Traum wird wahr.
W wie Wachablösung: Dortmund ist der beste Champion aller Zeiten (81 Punkte), hat die beste Auswärtsmannschaft aller Zeiten (37 Punkte) und spielte die beste Halbserie aller Zeiten (47 Punkte in der Rückrunde). Und wenn der BVB das Pokalfinale gewinnt, wird bei Vizebayern ein Alptraum wahr.
XY wie X- und Y-Achse: Das Koordinatensystem der Bundesliga verschiebt sich mal wieder. Große Namen wie Köln und Kaiserslautern verabschieden sich, dagegen sind Aufsteiger Fürth, Augsburg, Freiburg, Hoffenheim, Mainz, Wolfsburg und Leverkusen nicht gerade Publikumsmagneten. Aber die Liga schwimmt ja in TV-Kohle. Auf die vielen Millionen aus dem neuen Fernsehvertrag ab 2013 freuen sich schon jetzt die Spieler und ihre Berater.
Z wie Zitat der Saison: „In Euro.“ Schalke-Manager Horst Heldt auf die Frage, in welcher Sprache er das Vertragsangebot für Raúl vorgelegt habe.