Debatte über Sicherheit - Watzke: „Courage zeigen“

Düsseldorf (dpa) - Polizeisirenen statt Fan-Gesänge - der Schock von Hannover zwingt den deutschen Fußball zum Umdenken. Die Angst vor Terroranschlägen hat auch die Bundesliga erreicht.

Foto: dpa

Zwar wurden Gedanken an eine Absage des kommenden Spieltages schnell verworfen, aber die Verschärfung der Sicherheitsstandards wird intensiv diskutiert. In tiefer Sorge sprach Martin Kind, Präsident von Hannover 96, vom Beginn einer neuen Zeitrechnung: „Das wird den Fußball verändern und stellt uns vor eine neue Herausforderung.“ Ähnlich bestürzt äußerte sich Ligapräsident Reinhard Rauball: „Der Fußball hat mit dem heutigen Tag in vielen Facetten eine andere Wendung bekommen.“

Wie schwer die Rückkehr in den Alltag nach den Terrorakten von Paris zu werden scheint, offenbarten die Vorkommnisse beim Länderspiel in Hannover. Abermals wurde die Freude am Sport von der Angst vor Terror überlagert. Unter diesem Eindruck forderte 96-Chef Kind ein einheitliches Konzept für alle Bundesligavereine unter Federführung der Deutschen Fußball Liga (DFL). In eine ähnliche Richtung ging die Argumentation von DFB-Interimschef Rainer Koch: „Für den Fußball in Deutschland gilt das Gleiche wie für alle anderen Großveranstaltungen in Deutschland auch. Wir müssen uns unter diesem Aspekt entsprechend aufstellen, wir müssen uns bewusst sein, dass Gefährdungslagen bestehen.“

Weitere Absagen soll es nach Möglichkeit vorerst jedoch nicht geben. Wie die DFL erklärte, bleiben die Ansetzungen für den 13. Spieltag an diesem Wochenende unverändert. Der DFB-Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert verteidigte diese Entscheidung am Mittwochnachmittag: „Sicherlich müssen wir alle wachsam sein. Aber es gibt keine Erkenntnisse von jedweder Gefährdung. Wir sollten nicht in Panik verfallen, sondern uns auf das konzentrieren, was über Jahre im Sicherheitsbereich entwickelt wurde.“

Über die zu treffenden Vorkehrungen entscheiden die Sicherheitsbehörden vor Ort. Sie stehen mit den zuständigen Behörden der Länder und des Bundes in engem Kontakt.

Trotz der aktuellen Gefahrenlage sprachen sich die Vereinsvertreter unisono für eine Durchführung des Spieltages aus. Die deutlichsten Worte fand BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: „Es gibt keine Alternative. Wir müssen als Zivilgesellschaft Courage zeigen und dürfen nicht kapitulieren. Sonst jubeln doch genau die Leute, die jetzt nicht jubeln sollen.“ Die Reise zum Spiel der Borussia am Freitag in Hamburg tritt er nach eigenen Angaben ohne Angst an. „Wir sollten jetzt nicht in Hysterie verfallen, sondern gemeinsam überlegen, wie wir die ohnehin schon hohen Sicherheitsstandards noch erhöhen können“, sagte Watzke.

Erste Maßnahmen für das Wochenende sind bereits in Planung. Vielerorts werden mehr Ordnungskräfte eingesetzt und intensivere Einlasskontrolle stattfinden. Nicht zuletzt deshalb empfahlen einige Clubs ihren Anhängern eine frühzeitige Anreise. „Ich kann den Fans schon jetzt sagen: Bringt mehr Zeit, mehr Geduld und keine Rucksäcke mit“, sagte Werder Bremens Geschäftsführer Hubertus Hess-Grunewald.

Zu weiteren Details wollten sich die Vereine jedoch nicht äußern. „Wichtige Voraussetzung für die Sicherheit unserer Besucherinnen und Besucher ist die Tatsache, dass wir keine Details der Vorkehrungen an die Öffentlichkeit tragen“, kommentierte Franz Spitzauer, Geschäftsführer Finanzen und Marketing beim FC Ingolstadt.

Bedenken, dass viele Fußballanhänger aus Sorge um ihre Sicherheit die Arenen meiden, hegen die Bundesligisten nicht. Aussagen aus Fankreisen untermauern diese Einschätzung. „Ich kenne keinen, der wegen dieser Ereignisse sagt: Jetzt gehe ich nicht ins Stadion“, sagte Jan-Henrik Gruszecki. Der einstige Sprecher der „12:12“-Kampagne, mit der vor drei Jahren vehement gegen verschärfte Maßnahmen in den Bundesligastadien protestiert wurde, gab sich kämpferisch: „Angst habe ich nicht. Angst will ich vor allem nicht haben. Diesen Triumph möchten wir diesen Geisteskranken nicht überlassen.“

Mit einer ähnlichen Einstellung gehen die Profis die kommenden Aufgaben auf nationaler Bühne an. „Ich laufe nicht im Stadion auf und habe Angst, dass etwas passiert“, sagte Bayern-Kapitän Philipp Lahm dem „Münchner Merkur“ und der „tz“. „Ich vertraue der Politik und den Behörden, die entscheiden, ob etwas stattfindet oder nicht, die im Rahmen der Möglichkeiten die akute Gefährdung einschätzen können.“

Die Rückkehr in den Alltag dürfte den Nationalspielern jedoch schwerer fallen. So strebt Wolfsburgs Manager Klaus Allofs ein Gespräch mit den von der Spielabsage am Dienstag betroffenen VfL-Profis André Schürrle, Max Kruse, Julian Draxler (DFB) und Bas Dost (Niederlande) reden. Sollte einer der vier Spieler am Samstag im Heimspiel gegen Bremen nicht auflaufen wollen, könne er „das nachvollziehen“, sagte Allofs: „Ich erwarte das aber nicht.“

HSV-Coach Bruno Labbadia will das Thema vor der Partie gegen Dortmund ausblenden. „Es ist nicht so, dass wir es verdrängen, aber jeder hat eine andere Art, es zu verarbeiten.“ Der Terror und seine Auswirkungen seien in den Medien präsent, er wolle es nicht noch größer machen, indem er es mit den Spieler lange diskutiere. Fußball solle generell Freude bringen. „Das versuchen wir den Fans am Freitag wieder nahezubringen.“