Der heimliche Höhenflug des „Club“

Nürnberg (dpa) - Kein Trainerzirkus, kein Verletzungsgejammere, kein Führungschaos: Beim 1. FC Nürnberg ist vieles anders als woanders, aber kaum einer kriegt es mit. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich der fränkische Fußball-Club zur besten Bundesliga-Mannschaft der Rückrunde entwickelt.

Trainer Dieter Hecking, der den im Vorjahr fast abgestiegenen „Club“ still und leise zum Kandidaten für die Europa League geformt hat, regt sich mittlerweile kaum noch darüber auf, dass sein Erfolgsmodell in den Schlagzeilen keine Chance gegen Bayern-Krise oder Schalke-Theater hat.

„Mehr Wahrnehmung nach außen“ hatte sich Hecking gewünscht, als der FCN mit dem 2:0 gegen den Hamburger SV seinen Lauf startete. Mittlerweile ist Nürnberg seit acht Spielen am Stück ungeschlagen, das Echo in den überregionalen Medien ist allerdings kaum hörbar. Der „Club“ kann nicht mehr, wie früher, mit Skandalen, Stars oder Schulden dienen. Ehrliche Trainerarbeit, die vereinsinterne Talentförderung und das erfolgreiche Leiharbeiter-Modell liefern eben keinen Stoff für den Boulevard.

Besonders bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten vermisst Hecking den Respekt, den sich seine junge Mannschaft verdient hat. Umso mehr bemüht sich der 46-jährige Fußballlehrer Woche für Woche selbst, die Qualität seiner Spieler zu würdigen. „Wir wollen und können uns in der Bundesliga etablieren. Die Mischung aus Leihspielern, erfahrenen und jungen Spielern gibt uns diese Perspektive“, kündigt Hecking eine neu Ära in Nürnberg an, wo die Leidensfähigkeit der Fans in der Vergangenheit mit sieben Auf- und Abstiegen mehr als anderswo auf die Probe gestellt wurde.

In Martin Bader besitzt Hecking den perfekten Partner. Ohne Aufhebens, aber sehr gezielt den wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst, hat der Sportvorstand des FCN die Voraussetzungen für das fränkische Fußballhoch geschaffen. „Qualität zu leihen, jungen Spielern eine Chance zu geben und dennoch weiter auf erfahrene Führungsspieler zu setzen, war eine gute Entscheidung“, beschreibt Bader seine Politik.

Die neue Qualität ist zum einen hausgemacht. Anstatt für viel Geld fertige Spieler zu kaufen, zieht der Verein sein Personal selbst heran. Der 22-jährige Philipp Wollscheid ist mittlerweile als Innenverteidiger gesetzt, sein Marktwert wird auf drei Millionen Euro taxiert. Timothy Chandler (20) und Marvin Plattenhardt (19) haben ebenso schon Bundesligaluft geschnuppert wie Berufsschüler Markus Mendler (18). Ilkay Gündogan, Mehmet Ekici (beide 20), der Israeli Almog Cohen (22) und der Slowake Robert Mak (20) komplettieren Nürnbergs Jugendgruppe.

„Wenn man nicht so viel Geld hat, muss man über den Teamgeist kommen“, beschreibt Torwart-Routinier Raphael Schäfer Nürnbergs Philosophie. Obwohl nur ausgeliehen, gehören der derzeit verletzte Top-Stürmer Julian Schieber und Regisseur Ekici längst zur „Club“-Familie. Schieber muss am Saisonende zurück zu seinem Stammverein VfB Stuttgart. Bei Bayern Münchens Leihgabe Ekici ist davon auszugehen, dass er in Nürnberg bleibt.