Derby-Angst in Hannover
Hannover (dpa) - Das Niedersachsen-Derby treibt merkwürdige Blüten. Einige 96-Ultras haben vor dem ersten Bundesliga-Duell zwischen Hannover und Eintracht Braunschweig seit 37 Jahren eine Art Bürgerwehr organisiert, die nachts um das Stadion patrouilliert.
Dumm nur, dass die selbst ernannten Ordnungshüter eines Abendes auf echte Polizisten trafen. Im Übereifer erhielt sogar einer der Zivilbeamten eine Backpfeife - ehe die Dienstausweise gezückt und die plötzlich flüchtenden Nachtwächter geschnappt wurden.
So kurios diese kleine Randgeschichte ist, so ernst nehmen die Polizei und die beiden Vereine das brisante Fußball-Duell, das nicht nur 96-Präsident Martin Kind als „Hochrisiko-Spiel“ bezeichnet. Es gebe Experten, die hätten gewarnt, „dass Schalke gegen Dortmund dagegen Kleinkram sein soll“. So formulierte es zumindest Guido von Cyrson, der Einsatzleiter der Polizei in Hannover.
Auf beiden Seiten gibt es gewaltbereite und gewaltsuchende Anhänger, wie es im Polizei-Deutsch heißt. Zusammen 850 Hooligans der Kategorie B und C sind bei der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) registriert. Doch es gibt noch ein zweites Problem. „Angst bereiten mir mehr die zugereisten Gewalttäter“, sagte Eintracht-Präsident Sebastian Ebel und warnte vor „Randale-Tourismus“.
Von Cyrson bestätigte dies: „Richtig ist, dass sich gewaltbereite Anhänger Unterstützung holen.“ Der Polizist sprach von einer „erklecklichen Mobilisierung von Problem-Fans“. Unmissverständlich erklärte der Einsatzleiter: „Ich will niemandem die Hoffnung auf ein friedliches Derby nehmen, aber es besteht ein besonderes Risiko.“
Die Polizei werde „täglich mit Hinweisen überschüttet“, es sei „einiges dabei, was uns Sorge bereitet“, erklärte von Cyrson. Das Niedersachsen-Derby stelle an die Sicherheitskräfte „Anforderungen, die den bisherigen Rahmen deutlich sprengen“.
Beide Clubs sind seit Monaten bemüht, für Sicherheit zu sorgen und die Stimmung im Vorfeld zu beruhigen. Die Clubpräsidenten werden nicht müde, sich ihre gegenseitige Wertschätzung zu versichern und für Respekt gegenüber dem Konkurrenten zu werben. Kind wünscht, dass die Fans „nicht das erfüllen, was insbesondere die Polizei erwartet“.
„Wir müssen die 99,5 Prozent der friedlichen Fans schützen“, sagte Kinds Braunschweiger Kollege. Gemeinsam mit der Polizei haben die Clubs daher ihre Arbeit abgestimmt und ein Sicherheitspaket erarbeitet. So hat 96 das eigene Sicherheitspersonal von 580 auf 700 aufgestockt, und die Eintracht schickt eigene Ordner mit. Zur Deeskalationstaktik gehört auch, dass beim Derby - im Gegensatz zu anderen Bundesligaspielen in Hannover - nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt wird.
Der Ticketvertrieb wurde anders als bei den anderen 16 Spielen gesteuert, es gab keinen freien Verkauf. Abgesehen von den 4000 Karten für die Gäste sind nur maximal zwei Tickets an 96-Mitglieder verkauft worden. Dadurch erwartet Hannovers Sicherheitsbeauftragte Jürgen Niggemeier ganz wenige Braunschweiger außerhalb des Fanblocks, der zudem durch Pufferzonen abgetrennt ist. „Fan-Trennung ist ein wichtiger Punkt“, erklärte Niggemeier, „gerade bei diesem Spiel.“