Desolater HSV gegen Stuttgart - Guerrero-Nachspiel
Hamburg (dpa) - Pfiffe gab es nur zur Halbzeit, nach 90 Minuten hatte ein Großteil der HSV-Anhänger die Arena am Volkspark schon entsetzt verlassen und diskutierte über das brutale Frustfoul von Paolo Guerrero.
Ohne Mumm und mit viel Unvermögen ging das Team von Trainer Thorsten Fink beim 0:4 (0:2) gegen den VfB Stuttgart regelrecht unter. Der Peruaner setzte einer schlechten Leistung mit seiner Unbeherrschtheit die Krone auf. Nach dem bösen Tritt mit Anlauf in die Wade von VfB-Torhüter Sven Ulreich dürfte er den Hanseaten für einige Wochen fehlen.
Neben einer Sperre wegen der ersten Roten Karte in seiner Bundesliga-Laufbahn drohte Fink seinem Lieblingsstürmer Guerrero eine deftige Aussprache plus Geldstrafe an. Schon der Wasserflaschenwurf im April 2010 hatte dem 28-Jährigen jede Menge Ärger eingebracht: fünf Spiele Sperre und fast 100 000 Euro Strafe. „Paolo schadet uns natürlich, auch weil er in Topform war. Im ersten Moment wollte er den Ball spielen, dann war ihm alles egal“, erklärte Fink den brutalen Ausraster des Südamerikaners in der 54. Minute.
„An der Eckfahne muss ich kein Zeichen setzen“, schalt Marcell Jansen seinen Teamkollegen, „das hilft der Mannschaft nicht und passt zum Tag. Wir haben uns gegenseitig verunsichert.“ Ulreich war froh, dass die Stollen des HSV-Stürmers keinen größeren Schaden angerichtet hatten. „Ich kann mich nur bei meiner Mannschaft entschuldigen“, sagte Guerrero hinterher kleinlaut. Am Morgen danach äußerte der Nationalstürmer allerdings sein Unverständnis über die Aufregung: „Der Torwart hat weitergespielt. Ich verstehe nicht, warum daraus eine dramatische Sache gemacht wird“.
Sportdirektor Frank Arnesen nahm Guerrero sogar ein wenig in Schutz: „Ganz klar war das eine Rote Karte, er gehört gesperrt und wir werden auch intern etwas machen. Aber er hat sich in dem einen Jahr, in dem ich hier bin, hervorragend verhalten.“ Als Präzedenzfall führte er ein ähnliches Foul Mitte Februar von Andreas Ottl gegen Tamas Hajnal bei der Partie Stuttgart gegen Hertha an, wofür der Berliner drei Spiele gesperrt wurde. Überhaupt kein Verständnis äußerte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp im Sport1-„Doppelpass“: „Diese Situation ist nicht zu entschuldigen. Die Aktion war völlig wahnsinnig. Da muss jetzt eine richtige Strafe her. Gott sei Dank ist Ulreich nichts passiert.“
Den Hanseaten fehlte jegliche spielerische Linie: Fehl- statt Doppelpässe gab es zuhauf. Das baute die fünf Monate in der Fremde sieglosen Schwaben auf. Nach gutem Pressing erspielten sich die Gäste immer mehr Konter. Und reüssierten unter tatkräftiger Mithilfe des robusten Innenverteidigers Slobodan Rajkovic, der das erste Tor durch Vedad Ibisevic (23.) nicht verhinderte und beide von Zdravko Kuzmanovic (31./47.) verwandelten Elfmeter verschuldete. „Manchmal dauert die Entwicklung einer Mannschaft Monate, wenn nicht ein Jahr“, konstatierte der enttäuschte Fink. „So können wir nicht einmal in der 2. Liga bestehen“, sagte Kapitän Heiko Westermann.
Mit nur fünf Punkten Abstand zum Relegationsplatz 16 kann sich der HSV ganz und gar nicht zurücklehnen. „Die Leistung reicht nicht“, bemerkte Arnesen, der noch am Transfer von Leverkusens René Adler bastelt und die Hängepartie nach bestandenem Medizincheck gern beenden würde: „Es ist immer wieder ein bisschen ein Pokerspiel, ich möchte uns nicht unter Druck setzen.“ Mit Adler und seinem Berater geht es noch um die finanziellen Details.
Der VfB ist bei seinem erfolgreichsten Torschützen schon einen Schritt weiter. Der waschechte Hamburger Martin Harnik verlängerte seinen Vertrag kürzlich bis 2016 und glänzte in der Hansestadt mit seinem 14. Saisontor (90.) - soviele Treffer hat der österreichische Nationalspieler noch nie in einer Spielzeit geschossen. Vor den Augen seiner Familie rechtfertigte er damit auch das neue Jahressalär von rund zwei Millionen Euro.