Die Leiden der Liga: Fußball beklagt zu hohe Belastung
Berlin (dpa) - Die Liga leidet. Vor allem die Spitzenteams der Fußball-Bundesliga müssen den Ausfall vieler verletzter Leistungsträger verkraften. Trainer und Funktionäre beklagen die zu hohe Belastung bei zu geringer Regenerationszeit.
„Wir killen die Spieler, wir verlangen zu viel von ihnen“, echauffierte sich Bayerns Trainer Pep Guardiola. In den englischen Wochen müssen die Profis derzeit alle drei Tage ran - sei es in der Bundesliga oder im Europapokal. Für die Nationalspieler kommen Länderspiele hinzu. Bayerns Weltmeister Thomas Müller etwa absolvierte in den vergangenen 20 Tagen sechs Partien - und muss am Dienstag in der Champions League in Moskau wahrscheinlich schon wieder ran.
„Bei den Spitzenspielern im Fußball sind wir schon lange über den Bereich hinaus, in dem es vertretbar ist. Die Spieler kommen relativ schnell an die Stelle, wo die Belastung nicht mehr okay ist“, kritisierte Dortmund-Coach Jürgen Klopp und forderte: „Wir müssen irgendwann das Rad zurückdrehen.“
Die Klagen aus München und Dortmund sind verständlich, die beiden deutschen Vorzeigeclubs haben besonders viele verletzte Spieler. Beim BVB sind es sechs Profis, darunter Stammspieler wie Henrikh Mkhitaryan, Marco Reuss oder Ilkay Gündogan. Im Revierklassiker Schalke 04 gegen den BVB mussten am Wochenende auf beiden Seiten zusammen 15 verletzte Spieler passen. In München fehlen von den Assen Bastian Schweinsteiger, Franck Ribéry, Javi Martinez, Thiago Alcantara oder Holger Badstuber. „Die größte Problematik ist für mich, neben den vielen Spielen, nur zwei Tage Pause zu haben“, sagte Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer, der drei Regenerationstage als notwendig betrachtet.
Der Sportwissenschaftler Ingo Froböse sieht die Grenzen der Belastbarkeit ebenfalls erreicht. „Zwei Tage Pause sind definitiv zu kurz, um höchste Leistung zu bringen“, sagte der Professor der Sporthochschule Köln der dpa. Die Bundesliga-Profis würden generell über gute Grundlagen verfügen, wegen der zunehmenden Dynamik des Spiels „geht bei der hohen Belastung die Frische verloren“. Die Konsequenz: viele Verletzte. „Zwei Drittel der Verletzungen kommen ohne Gegnerkontakt zustande“, verdeutlichte Froböse.
Den Hinweis, dass Basketball- oder Eishockey-Profis seit Jahren mit einem dicht gedrängten Terminplan klar kommen müssen, relativierte der 57-Jährige Westfale: „Dort herrschen durch die fliegenden Wechsel andere Spielsysteme, die noch während des Spiels die Regeneration ermöglichen.“ Allerdings glaubt auch Froböse, dass die „Fußballer zu sehr in Watte gepackt werden“. Das denkt auch der Weltklasse-Volleyballspieler Lukas Kampa, der sagte: „Ich muss lachen, wenn ich lese, dass Fußballer 'gekillt' werden, weil sie zwei Spiele in der Woche haben.“ Zum Vergleich: Die deutschen Volleyballer absolvierten bei der WM 13 Partien in 20 Tagen.
Ob Weichei oder nicht - Hauptadressaten der Kritik aus dem Fußball an zu vielen Spielen sind die Funktionäre der großen Verbände FIFA und UEFA. BVB-Coach Klopp konnte sich eine spitze Bemerkung gegen den UEFA-Präsidenten und früheren französischen Nationalspieler Michel Platini nicht verkneifen: „Das interessiert auch ehemalige Spitzenspieler nicht, die in Spitzenpositionen sitzen. Man vergisst anscheinend nichts schneller als die eigene Belastung.“
Für den Mönchengladbacher Trainer Lucien Favre sind die gestiegenen physischen und psychischen Anforderungen der Preis für die Teilnahme am internationalen Wettbewerb. „Wir spielen Donnerstag, Sonntag, Mittwoch, Samstag, Donnerstag - es ist ein wenig viel. Aber wir sind auch sehr froh, die Europa League zu haben und englische Wochen spielen zu können“, räumte der Schweizer ein. Favres Spieler Max Kruse schloss sich dieser Haltung an: „Das wollten wir haben und ich persönlich werde mich darüber nicht beschweren.“
Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Spieler eine längere Pause nötig hätten. Die Hoffnung, dass sich im professionellen Fußball-Betrieb etwas ändert, ist freilich gering. „Der Mensch übertreibt immer, in allen Geschäften. Und Fußball ist ein Geschäft“, erinnerte Favre an die Macht des Geldes.