Doping-Experte: Fußball hat kein Doping-Problem
Köln (dpa) - Anabolika-Doping und der Missbrauch von anderen verbotenen Substanzen im deutschen Fußball sind nach Erkenntnissen des Experten Wilhelm Schänzer aktuell kein akutes Thema.
„Es gibt keine Daten, die aussagen, im deutschen Fußball ist es im Augenblick ein großes Problem“, sagte der Leiter des Instituts für Biochemie in Köln im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Dies gelte auch für andere nicht erlaubte Substanzen wie EPO. Die Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin hatte einen Teil-Bericht veröffentlicht, wonach es in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren Anabolika-Doping in der Bundesliga gegeben habe.
Die Evaluierungskommission bezieht sich auf Akten des damaligen in Freiburg praktizierenden Sportarztes Armin Klümper. Wie schätzen Sie sein damaliges Wirken ein?
WilhelmSchänzer: Armin Klümper war für Athleten ein Arzt, der sie unheimlich schnell wieder fit machen konnte. Was auch kritisch gesehen wurde, weil er bei seinen Therapien auf das Doping-Reglement keine Rücksicht genommen hat. Für Athleten war er eine Station, wenn sie gemerkt haben, jetzt geht nichts mehr, gehe ich zu Klümper - und sind dann ein paar Wochen früher wieder in den Wettkampf gegangen. Viele, denke ich, auch mit Langzeitschäden.
Anabolika und Fußball: Wie passt das zusammen?
Schänzer: Ungewöhnlich. Wenn Spieler verletzt sind und einen Abbau der Muskulatur haben, kann man es mit Anabolika schnell wieder kompensieren. Fußballer brauchen im wesentlichen Ausdauer, Kraft ist nicht das Nonplusultra. Doch wenn ich in einem Zustand bin, in dem ich Schwäche zeige oder an einem Tiefpunkt bin, sind das solche Momente, wo man sagt: Es kann auch helfen.
Sind das Blutdopingmittel EPO, dass die Ausdauerleistung erhöht, oder aufputschende Mittel nicht für Fußball sinnvoller?
Schänzer: Wenn ein Fußballer eine Verletzung hat, will er schnell wieder fit werden. Heute sind die Therapiemaßnahmen besser geworden, früher hat man es mehr mit Medikamenten gemacht. Und wenn ein Spieler nicht mit Anabolika behandelt worden wäre, hätte er zum gleichen Zeitpunkt vielleicht nicht die gleiche Leistung gebracht.
Gibt es denn Anhaltspunkte, dass im Fußball mit EPO oder anderem gedopt wird?
Schänzer: Aus Italien haben wir Hinweise bekommen, dass EPO eingesetzt worden sein soll. In Deutschland habe wir keine Hinweise dafür, dass in größerem Maße EPO angewandt wird. Mir ist kein Fall bekannt, in dem das thematisiert worden ist oder es klare Hinweise gab, dass mit EPO gearbeitet worden ist.
Im Fall des spanischen Dopingarztes Eufemiano Fuentes gab es auch Querverbindungen zu großen Fußballclubs in Spanien?
Schänzer: Dies wurde immer wieder diskutiert. Es gab aber nie klare Daten, die man verwenden konnte, um es mit Namen und beteiligten Vereine aufzuzeigen. Es war eine Grauzone. Eindeutige belastbare Hinweise und Beweise hat man bis heute nicht zur Verfügung gestellt.
Es gibt wenige Doping-Fälle im Fußball. Ist kein Doping im Spiel oder sind die Kontrollen unzureichend?
Schänzer: Der Fußball macht unangekündigte Kontrollen und hat die Vereine angewiesen, anzumelden, welche Medikamente zu medizinischen Zwecken verwendet werden. Da wird eine relativ klare Politik betrieben. Man hat viele Lücken geschlossen. Der Fußball hat, seit Toni Schumacher in seinem Buch „Anpfiff“ von 1987 auf viele Fälle von Stimulanzien wie Captagon hingewiesen hat, eingesehen, dass Kontrollen gemacht werden müssen. Der Fußball hat im Augenblick nicht das Problem mit Doping wie andere Sportarten, die immer wieder durch Doping-Fälle stark belastet werden.
Im Fußball ist viel Geld im Spiel. Ist da nicht die Verlockung groß, auch in neue Doping-Techniken zu investieren, um Erfolg zu haben?
Schänzer: Man kann viel spekulieren. Im Radsport hat man gesehen, die einen haben aufgerüstet, die anderen haben nachgezogen. Das bleibt nicht geheim. Da gab es immer wieder Hinweise. Im deutschen Fußball fehlen uns die Hinweise. Es gibt keine Daten, die aussagen, im deutschen Fußball ist es ein großes Problem.
ZUR PERSON: Professor Wilhelm Schänzer ist Leiter des Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Sein Institut ist auch ein von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) akkreditiertes Doping-Kontrolllabor.