Dopingbericht: Aufregung, aber wohl keine Konsequenzen
Berlin (dpa) - Die Evaluierungskommission Sportmedizin Freiburg hat mit ihren Dopingvorwürfen für Aufsehen gesorgt.
Durch die Untersuchung soll erstmals systematisches Anabolikadoping im deutschen Profifußball in späten 1970er und frühen 1980er Jahren belegt sein. Neben den Clubs VfB Stuttgart und SC Freiburg steht auch der Bund Deutscher Radfahrer unter Druck.
Welche Vorwürfe werden in dem Untersuchungsbericht der Kommission genau erhoben?
In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren soll Anabolika-Doping beim Bundesligisten VfB „in größerem Umfang“ sowie in kleinerem Rahmen beim damaligen Zweitliga-Club SC Freiburg eine Rolle gespielt haben. Mehrere zehntausend Mark sollen damals für die Medikationen bezahlt worden sein. Besonders pikant: 1984 wurde der VfB Stuttgart deutscher Meister. Auch beim Bund Deutscher Radfahrer soll es zwischen 1975 und 1980 nahezu flächendeckendes Doping gegeben haben. Es sei bewiesen, dass der BDR die Mittel aus einem eigenen Ärzteplan finanziert habe. Auch die Weitergabe von Dopingmitteln an Minderjährige sei nicht ausgeschlossen.
Wer ist die zentrale Figur in dem Skandal?
Der Freiburger Sportmediziner Prof. Dr. Armin Klümper steht im Mittelpunkt der Anschuldigungen. Klümper, der vor über zehn Jahren nach Südafrika ausgewandert ist, war damals Leiter der Sporttraumatologischen Spezialambulanz an der Uni Freiburg. Es ist bekannt, dass zahlreiche Fußballer und weitere Sportler von ihm behandelt worden sind. Der 79-Jährige war auch behandelnder Arzt der Leichtathletin Birgit Dressel, die 1987 nach einem Multi-Organversagen starb.
Werden konkrete Namen bei den Dopinganschuldigungen genannt?
Nein. Eine Zuordnung von Medikationen an konkret zu benennende Sportler ist laut der Kommission nicht möglich.
Von welchen Dopingmitteln ist die Rede?
Es geht um das Anabolikum Megagrisevit. Das Mittel hatte auch zeitweise Dressel von Klümper bekommen.
Wie sollen die Dopingpraktiken abgelaufen sein?
Laut Kommissionsmitglied Andreas Singler sollen im Fall Stuttgart die Präparate an den Masseur geschickt worden sein. Der Verein bezahlte demnach die Mittel auf Rechnung. Im Radsport soll Klümper den Spitzensportlern einen Grundplan erstellt haben, zu welchem Zeitpunkt Anabolika eingenommen werden soll.
Was sagen die Protagonisten aus dieser Zeit?
Egal ob Radsportler oder Fußballer - quasi reflexartig weisen die früheren Athleten die Dopingvorwürfe zurück und wollen von alldem nichts gewusst haben. Während im Radsport in den letzten Jahren - wohl auch notgedrungen - eine Geständniswelle stattgefunden hatte, wurde im Fußball kaum über Doping gesprochen. Einer davon war der frühere Nationaltorhüter Toni Schumacher, der in seinem Buch „Anpfiff“ berichtete, dass Doping im Fußball an der Tagesordnung sei. Der Keeper wurde daraufhin aus der Nationalelf verbannt, und auch beim 1. FC Köln wurde sein Vertrag aufgelöst.
Was ist dran an der Stammtisch-These, Doping im Fußball mache keinen Sinn?
Nichts. Dass der Fußball keine Insel der Glückseligen ist, hat allein schon der Dopingskandal bei Juventus Turin gezeigt. Es ging um systematisches EPO-Doping bei Juventus Turin in den 90er Jahren. Im großen Madrider Prozess gegen den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes und dessen Helfer, bei dem es vor zwei Jahren in erster Linie um Blutdoping im Radsport ging, kam auch der Fußball ins Gerede. In handschriftlichen Aufzeichnungen des Mediziners tauchte das Kürzel „Rsoc“ auf, das mit dem Erstligisten Real Sociedad San Sebastián in Verbindung gebracht wurde.
Seit wann gibt es Dopingkontrollen im Fußball?
Seit 1966 gibt es Kontrollen im Fußball. In der Bundesliga wurde aber erstmals 1988 getestet. Allzu scharf waren die Kontrollen aber nicht. Trainingskontrollen wurden 1995 eingeführt. Erst in den letzten Jahren wurden die Maßnahmen forciert und auch Blutkontrollen eingeführt. Von einem Kontrollsystem wie etwa im Radsport, wo es seit Jahren den Biologischen Pass gibt, ist der Fußball aber noch entfernt.
Haben Vereine oder Sportler nach den Untersuchungsergebnissen in Freiburg nachträgliche Strafen zu erwarten?
Nein. Die Verjährung von Doping-Delikten hat bereits bei der Studie „Doping in Deutschland von 1950 bis heute“ zu keinen personellen Konsequenzen geführt. Bis zum vergangenen Jahr war im Welt-Anti-Doping-Code eine Verjährungsfrist von acht Jahren festgeschrieben. Diese wurde Anfang 2015 auf zehn Jahre ausgedehnt.
Wie kam es überhaupt zu den Dopinguntersuchungen?
Im Zuge des Skandals um den Radrennstall Telekom wurde eine Evaluierungskommission zur Klärung der Fälle eingesetzt. 2007 war bekanntgeworden, dass Ärzte der Uniklinik Freiburg in das Dopingsystem beim einstigen Vorzeige-Team um Jan Ullrich und Erik Zabel involviert waren.